Der Werkzeugkasten des Insolvenzrechts zur Unternehmenssanierung Teil 2: das Insolvenzgeld

Fotolia_5903257_XSIn Teil 1 unserer Reihe zur Unternehmenssanierung mithilfe des Insolvenzrechtes hatten wir bereits einen kleinen Überblick über wesentliche  Werkzeuge,  die dabei eine Rolle spielen, gegeben. Ziel dieser Beitragsreihe ist es, durch eine bessere Kenntnis der Möglichkeiten des Insolvenzrechtes vor allen den KMU-Managern die Angst vor der Nutzung des Insolvenzrechtes zu Sanierungszwecken zu nehmen.

Im heutigen Beitrag sollen die Grundzüge, Wirkungsweisen und Vorteile des Insolvenzgeldes im Rahmen der gerichtlichen Unternehmenssanierung dargestellt werden.

DIE AUSGANGSLAGE: Lohn- und Gehaltsrückstand

Regelmäßig dürfte in Insolvenzverfahren bereits  bei der Antragstellung ein Lohn-und Gehaltsrückstand bestehen.   in der Regel sind dabei zumindest die Entgeltansprüche für den laufenden Monat, in dem der Insolvenzantrag gestellt wird, rückständig. Gelegentlich liegen aber auch bei Antragstellung schon mehrmonatige Rückstände vor. Die Forderungen der Arbeitnehmer aus den Arbeitsleistungen, die sie bereits für das Unternehmen erbracht haben, sind also selber  bereits ein Bestandteil der nicht mehr  gegebenen Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers.Für die  Arbeitnehmer tritt somit neben die Sorge um den Fortbestand ihres Arbeitsplatzes ganz existenziell in dieser Phase immer die Not, die eigene Liquidität zu sichern und weiterhin den eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.

DIE RECHTSLAGE: Absicherung durch Insolvenzgeld

Insolvenzgeld ist eine Sozialleistung, die durch das Agentur für Arbeit ausgezahlt wird.  Durch das Insolvenzgeld werden im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers die nicht mehr bezahlten Arbeitnehmeransprüche für einen Zeitraum von längstens drei Monaten in voller Höhe des Nettoentgeltes abgesichert (§ 165 ff. SGB III).   Der Maximalbetrag des monatlichen Insolvenzgeldes liegt allerdings bei der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosengeld-Versicherung (aktuell 2016: 6.200,00 EUR West / 5.200 EUR Ost).

Dieser Drei-Monats-Zeitraum umfasst immer die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung (oder der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse).  Allerdings entsteht der Anspruch auf das Insolvenzgeld für den Arbeitnehmer auch erst zu genau diesem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Insolvenzgeld wird also rückwirkend gezahlt, was regelmäßig zur Folge hat, dass die Liquiditätsprobleme der Arbeitnehmer im Zeitraum zwischen der Insolvenzantragstellung und der deutlich späteren Insolvenzeröffnung durch das Insolvenzgeld eben nicht gelöst werden.  Zwar besteht die grundsätzliche Möglichkeit eine Vorschusszahlung auf das Insolvenzgeld zu erhalten, allerdings handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung der Agentur für Arbeit.  Problematischer ist aber noch, dass auch die Vorschusszahlung zunächst einen wirksamen Antrag auf unser Insolvenzgeld voraussetzt, der aber erst nach der Insolvenzeröffnung gestellt werden kann (oder ausnahmsweise, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor der Insolvenzöffnung endet).  Nach der Gesetzessystematik besteht der "Normalfall" also darin, dass der Arbeitnehmer für drei Monate ohne Gehaltszahlungen bleibt und diesen Zeitraum wirtschaftlich überbrücken muss. Für die meisten Arbeitnehmer ist dies eine faktische Unmöglichkeit.

Darüber hinaus birgt diese Gesetzeslage für das Unternehmen , das ja saniert werden soll, das Problem, dass Arbeitnehmer mehr oder weniger gezwungen werden, aus eigener Liquiditätsnot ihre Arbeitsverhältnisse zu kündigen, um bereits früher eine Zahlung auf das Insolvenzgeld zu erhalten. In der Regel werden somit gerade die gut qualifizierten Arbeitnehmer, die schnell eine neue Anstellung finden können, aus dem Unternehmen getrieben und stehen für die  Unternehmensfortführung nicht mehr zur Verfügung. Neben allen anderen Problemen und Vertrauensverlustes, die das insolvente Unternehmen in dieser Phase zu bewältigen hat, tritt also auch noch die Gefahr, dass wesentliche Leistungsträger das Unternehmen verlassen, weil Ihre Löhne und Gehälter nicht gezahlt werden können.

DIE LÖSUNG: Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes

Um für dieses Problem von Arbeitnehmern und Unternehmen eine Lösung zu finden, stellt § 170 Abs. 3 SGB III  die Möglichkeit der Insolvenzgeld-Vorfinanzierung als Werkzeug bereit.

Diese Vorfinanzierung erfolgt praktisch durch einen Bankkredit, den die Arbeitnehmer erhalten, und der aus dem späteren nach Verfahrenseröffnung gezahlten Insolvenzgeld wieder zurückgezahlt wird.

Initiiert werden kann die Entgeltvorfinanzierung im Fall des Regelinsolverfahrens durch den  Insolvenzverwalter.  Wird das unseren Verfahren in Eigenverwaltung (§  270a InsO, § 270b InsO) durchgeführt,  muss die Vorfinanzierung durch den Arbeitgeber selbst bzw. seine Sanierungsberater organisiert werden.

Notwendig ist somit zunächst die Sicherstellung der Kreditzahlung durch eine Bank, die im Regelfall schon länger mit dem Verwalter/Sanierungsberater zusammenarbeitet und das Procedere gut kennt. Einige Banken haben bereits spezialisierte Abteilungen für diese Vorfinanzierungsaufgaben. Notwendig ist aber auch die Zustimmung der Agentur für Arbeit zur Durchführung der Vorfinanzierung. Diese macht aber jede Zustimmung davon abhängig, dass die Vorfinanzierung dazu geeignet ist, einen erheblichen Teil der Arbeitsverhältnisse zu erhalten.  Letztlich ist also gegenüber der Bundesagentur die Fortführungsperspektive des Unternehmens glaubhaft zu machen.  Im Falle der Eigenverwaltung dürfte  in diesem Verfahrensstadium bereits ein Sanierungskonzept/Insolvenzplan vorliegen, der es ermöglicht diese Dokumentation gegenüber der Agentur vorzunehmen.  in den Fällen, in denen die Sanierung durch übertragende Sanierung erfolgen soll, verlangt die Bundesagentur in der Regel eine Aussage zu den bereitstehenden Kaufinteressenten  für die Vermögenswerte des Unternehmens und deren Fortführungsplänen.

Liegen die Finanzierungsbereitschaft einer Bank und die Zustimmung zur Vorfinanzierung seitens der Bundesagentur für Arbeit vor, werden dreiseitige Verträge zwischen den einzelnen Arbeitnehmern, dem Unternehmen/vorl. Insolvenzverwalter und der finanzierenden Bank geschlossen. Im Kern handelt es sich um Kreditverträge zwischen der Bank und dem einzelnen Arbeitnehmer, zu denen der Arbeitgeber bzw. vorläufige Insolvenzverwalter  garantiert, dass entsprechende Insolvenzgeldansprüche bestehen und bescheinigt werden, sodass eine Rückführung des Darlehens aus dem späteren Insolvenzgeld möglich wird.

In der Regel beauftragen sowohl Insolvenzverwalter als auch Sanierungsberater wiederum spezialisierte Dienstleister, häufig Steuerberater-Kanzleien mit Kenntnissen und Erfahrungen im Insolvenzrecht  und Insolvenzsteuerrecht mit der vollständigen Durchführung der Insolvenzvorfinanzierung.  Diese kümmern sich um die gesamte Vertragsabwicklung und vor allem die laufende monatliche Entgeltabrechnung und Auszahlung aus dem vorhandenen Darlehen an die jeweiligen Arbeitnehmer. Häufig übernimmt dieser Dienstleister auch für eine Übergangszeit die vollständige Funktion der Lohn und Gehaltsabrechnung des Unternehmens.

Wird später antragsgemäß das Verfahren eröffnet, stellen die Arbeitnehmer ihre Anträge auf Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit, Unternehmen/Insolvenzverwalter bescheinigen die rückständigen Arbeitsentgelte, die vorfinanzierende Bank legt die Abtretung des Anspruches auf Insolvenzgeld gegenüber der Bundesagentur vor.  Nach entsprechender Antragsbearbeitung und Bewilligung des Insolvenzgeldes wird dieses dann in der Höhe, wie es zuvor durch die Bank vorfinanziert wurde, an diese zurückgezahlt. Die Darlehensschuld des Arbeitnehmers ist dadurch wieder getilgt.

FAZIT

Das Insolvenzgeld und vor allem die Möglichkeit seiner Vorfinanzierung ist ein ein wichtiger Bestandteil einer Unternehmenssanierung im Rahmen des Insolvenzrecht. So werden gleichzeitig die Liquiditätsnöte der Arbeitnehmer beseitigt, Leistungsträger dem Unternehmen gesichert und darüber hinaus dem Unternehmen selber durch die Vorfinanzierung von maximal drei Monatslöhnungen  erhebliche Liquiditätsspielräume für die Unternehmenssanierung erschlossen. Die Summe dieser Vorteile  kann allerdings nur im Rahmen der gerichtlichen Sanierung mittels des Insolvenzrechtes erzielt werden.

 


BGH: Gläubiger müssen Sanierungskonzepte prüfen, um der Anfechtung zu entgehen

NORM: InsO § 133

Der BGH hat am 12.05.2016 wie folgt entschieden:
(Urteil vom 12.05.2016 - IX ZR 65/14 Vorinstanz: OLG Düsseldorf)

wegen Insolvenz geschlossenDie Entscheidung des Gerichtes kann in folgenden (bearbeiteten) Leitsätzen zusammengefasst werden:
1. Ein Gläubiger, der die (drohende) Zahlungsunfähigkeit  seines (unternehmerischen) Schuldners kennt, muss beweisen, dass seinen  Zahlungen nach Kriseneintritt beim Schuldner ein schlüssiges Sanierungskonzept zu Grunde lag. Das bedeutet, dass  er über die wesentliche Inhalte, Grundlagen und Schlußfolgerungen des Konzeptes (Ursachen der Insolvenz, Maßnahmen zur Beseitigung, positive Fortführungsprognose) informiert sein muss.
2. Wenn der Gläubiger einen Verzichtsvergleich schließt und davon ausgeht, dass andere Gläubiger dies auch tun, darf  er nicht ohne weiteres schlußfolgern, dass eine Sanierung des Schuldnerunternehmens allein dadurch gelingt, insbesondere dann, wenn die Krise nicht nur auf Finanzierungsproblemen beruht.
3. Ein Gläubiger darf sich aber grundsätzlich auf die Angaben des Schuldners oder dessen Berater zu den Erfolgsaussichten des Konzeptes verlassen, es sei denn, dass er Anhaltspunkte für falsche Angaben, Täuschungen o.ä. hat.
4. Das Sanierungskonzept für das Unternehmen des Schuldners muss nicht zwingend dem Standard S6 des  Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. oder dem Standard  des Instituts für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) entsprechen.

Dem durch den BGH entschiedenen Streitfall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Insolvenzverwalter als Kläger forderte  von der Gläubigerin die Rückzahlung einer im Ende März 2007 erhaltenen Zahlung, die diese von dem schuldnerischen Unternehmen nach Abschluss eines Sanierungsvergleiches erhalten hatte. Der Beklagten waren seit Januar 2007 die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin  bekannt, weswegen sie an dem Sanierungsvergleich mitwirkte, den eine Beratungsgesellschaft der Schuldnerin ausgearbeitet hatte. Darin wurde ein Teilverzicht der Gläubiger mit Besserungsschein gegen eine Einmalzahlung vorgeschlagen. die mittel für die Zahlung sollten avon Dritten bereitgestellt werden. Die Zustimmung aller Gläubiger war Bedingung für das zustandekommen des Verzichtsvergleiches. Die Gläubigerin (Beklagte) stimmte diesem Vergleich zu und erhielt die zugesagte Einmalzahlung. Im Jahre 2012 wurde dann doch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin  eröffnet. Der Insolvenzverwalter sprach die Anfechtung bezüglich der Einmalzahlung aus 2007 aus.  Er gründete seinem Anspruch auf die Aussage, dass kein aussichtsreicher und ernsthafter Sanierungsversuch vorgelegen habe, weil nämlich nur die Hälfte der Gläubiger beteiligt gewesen sei.

Die Vorinstanzen - zuletzt OLG Düsseldorf - hatten die Klage abgewiesen. Die Revision beim BFH war jetzt erfolgreich und führt zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

QUELLE: Beck-Online


Insolvenzrecht: Zahlungen an privaten Krankenversicherer aus insolvenzfreiem Vermögen

wegen Insolvenz geschlossenAnsprüche des Versicherers auf Prämien für einen privaten Krankenversicherungsvertrag aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung des Schuldners sind Insolvenzforderungen. Zahlt der Schuldner eine Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag in bar aus einem unpfändbaren Geldbetrag, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung (BGH, Urteil v. 07.04.2016 - IX ZR 145/15).

Hintergrund: An einer sogenannten Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn die Zahlung aus insolvenzfreiem Vermögen des Schuldners erfolgte. Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände, ist diese Verfügung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören.

Sachverhalt: Der Kläger ist Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, der bei der Beklagten einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Das Amtsgericht erließ im Juli 2010 auf Antrag der Beklagten einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner wegen rückständiger Versicherungsprämien. Die Beklagte führte die Zwangsvollstreckung durch; im Januar 2011 zahlte der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher 300 € in bar. Aufgrund eines bereits im September 2010 gestellten Insolvenzantrags eröffnete das Insolvenzgericht im Mai 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Kläger verlangt von der Beklagten die 300 € im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Hierzu führte der BGH weiter aus:

  • Die Zahlung von Versicherungsprämien an einen privaten Krankenversicherer ist eine anfechtbare Rechtshandlung. Ob die Insolvenzanfechtung vorliegend begründet ist, kann jedoch nicht beurteilt werden.
  • Zwar sind die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt. Die Zahlung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkongruent, weil die Beklagte sie innerhalb des Dreimonatszeitraums im Wege der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erlangte.
  • Allerdings steht nicht fest, ob die Zahlung die Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt hat. Daran fehlt es, wenn die Zahlung aus insolvenzfreiem Vermögen des Schuldners erfolgte. Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände, ist diese Verfügung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören. Deshalb kann es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlen, wenn der Schuldner die Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag aus unpfändbarem Vermögen zahlt. Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung 300 € in bar an den Gerichtsvollzieher zahlte.
  • Vorliegend kommt eine Unpfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO in Betracht. Nachdem es bisher auf diesen Gesichtspunkt nicht ankam, ist den Parteien hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme und zu ergänzendem Sachvortrag zu gewähren.

Quelle: NWB Datenbank (Sc)


BFH : Berichtigung der Umsatzsteuer bei Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters

clause-684509_640Bestellt das Insolvenzgericht einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG wegen Uneinbringlichkeit zu berichtigen. Eine nachfolgende Vereinnahmung des Entgelts durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter führt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu einer zweiten Berichtigung des Steuerbetrages (BFH, Urteil v. 01.03.2016 - XI R 21/14, veröffentlicht am 29.06.2016).

Hintergrund: Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Steuerbetrag für steuerpflichtige Ausgangsleistungen des Unternehmens zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt für eine uneinbringliche Forderung nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Im Juni 2012 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und der Kläger zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger vereinnahmte nach seiner Bestellung Entgelte für Leistungen, die die GmbH vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeführt hatte. Die darauf entfallende Umsatzsteuer erklärte er in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen als umsatzsteuererhöhenden Steuerbetrag. Zugleich machte er geltend, die Umsatzsteuer sei nicht zu berichtigen. Dies lehnte das FA ab und setzte eine höhere Steuer als die beantragte fest. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und setzte die Umsatzsteuer antragsgemäß fest. Der BFH gab dem FA Recht.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Entgegen der Auffassung des FG sind die Entgelte für die von der GmbH vor der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten steuerpflichtigen Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum starken vorläufigen Insolvenzverwalter uneinbringlich geworden (erste Berichtigung). Die nachfolgende Vereinnahmung der Entgelte für diese Leistungen durch den Kläger führt zu einer zweiten Berichtigung und begründet Masseverbindlichkeiten.
  • Noch ausstehende Entgelte für zuvor erbrachte steuerpflichtige Leistungen eines Unternehmers werden uneinbringlich, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird.
  • Auch wenn das Insolvenzgericht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, ist der Steuerbetrag für die steuerpflichtigen Leistungen, die der Unternehmer vor oder nach der Verwalterbestellung bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbracht hat, zu berichtigen.
  • Nach diesen Grundsätzen sind die von der GmbH vor der vorläufigen Insolvenzverwaltung erbrachten Leistungen durch die Bestellung des Klägers zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH uneinbringlich geworden. Vereinnahmt der Kläger danach Entgelte für diese Leistungen, ist die Umsatzsteuer zum zweiten Mal zu berichtigen.

Quelle: NWB Datenbank (Sc)


Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Sanierungsgewinns im Planinsolvenzverfahren

BFH entscheidet zum Abzug von SchuldzinsenDas FG Brandburg hat aktuell entschieden:

1. Verbindlichkeiten sind dann nicht – mehr – zu passivieren, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass sie nicht erfüllt werden müssen.

2. Das ist für Verbindlichkeiten, die dem Insolvenzschuldner im Rahmen eines Planinsolvenzverfahrens erlassen werden, bereits vor dem Bilanzstichtag der Fall, wenn noch vor dem Bilanzstichtag Gläubiger und Schuldner dem Erlass zugestimmt haben, das zuständige AG den Insolvenzplan durch Beschluss bestätigt hat und auch die zweiwöchige Notfrist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss nach § 253 InsO noch vor dem Bilanzstichtag abgelaufen ist. Der Sanierungsgewinn entsteht in diesem Fall auch dann noch im laufenden Wirtschaftsjahr, wenn erst im folgenden Wirtschaftsjahr der Insolvenzplan formell rechtskräftig und das Insolvenzverfahren vom AG förmlich aufgehoben wird. (QUELLE: FG Berlin-BrandenburgUrteil vom 14.1.2016 − 10 K 10245/14)

 

Das Urteil ist für Bedeutung für den richtigen Zeitpunkt der Berücksichtigung eines Sanierungsgewinnes im Rahmen der Steuererklärungen des Schuldners. Daran knüpfen auch in der Folge die Regelungen zur Stundung und Erlass des Sanierungsgewinnes an. Diese dienen dazu, im Ergebnis eine Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes zu erzielen.


BGH: Indizien für Kenntnis der Zahlungseinstellung durch den Anfechtungsgegner

clause-684509_640Der BGH hat aktuell in einem Anfechtungsfall zu  § 133 Abs. 1 InsO (Vorsätzliche Benachteiligung) wie folgt entschieden:

"Schweigt der Schuldner einer erheblichen Forderung während eines monatelangen Zeitraums auf Rechnungen und Mahnungen und bietet er nach Einschaltung eines Inkassounternehmens und Erwirken eines Mahnbescheids in dem auf seinen Widerspruch eingeleiteten gerichtlichen Verfahren die ratenweise Zahlung der Gesamtforderung einschließlich der Zinsen und der angefallenen Kosten an, hat der Gläubiger die Zahlungseinstellung des Schuldners, dessen Zahlungsverzug nicht mit einer fortdauernden Anspruchsprüfung erklärt werden kann, erkannt. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 25.02.2016 (Vorinstanz LG Aachen)."

In dem entschiedenen Fall hatte ein Transportunternehmen seinen Kunden aufgrund erbrachter Transportleistungen mehrfach zur Zahlung der entsprechenden Rechnungen aufgefordert, mehrere Mahnschreiben versandt, die erfolglos blieben, und den Fall dann zum Forderungseinzug an ein Inkassounternehmen weitergegeben. Dieses erwirkte einen Mahnbescheid gegen den säumigen Kunden, der hiergegen Widerspruch einlegt. Das anschließende Gerichtsverfahren führte zu einem Ratenzahlungsvergleich, auf den der Kunde einige Raten zahlte, bevor er in Insolvenz ging. Der Insolvenzverwalter hat die Zahlungen angefochten und vom dem Transportunternehmen die Rückzahlung zur Masse verlangt. Die Anfechtung wurde argumentativ u.a. darauf gestützt, dass das Transportunternehmen aufgrund der vorherigen Mahnmaßnahmen wusste, dass der Kunde zahlungsunfähig war.

Während die Vorgerichte noch der Meinung waren, dass es dem Transportunternehmen an der Benachteiligungsabsicht gefehlt habe, sah der BFH diese im jetzigen Urteil als gegeben an, weil es gewusst habe, dass der Kunde zahlungsunfähig war. Der BGH  gab der Klage des Insolvenzverwalters somit statt.


Der Werkzeugkasten des Insolvenzrechts zur Unternehmenssanierung TEIL 1

Das gerichtliche Insolvenzverfahren nach der InsO und die insolvenzrechtliche Praxis stellen einige Werkzeuge bereit, die durchaus wirksamer sein können als das außergerichtliche Sanierungsinstrumentarium, vor allem bei fortgeschrittenem Krisenstadium, also bereits drohender oder bestehender Zahlungsunfähigkeit.

In einer kleinen Reihe wollen wir diese Werkzeuge hier darstellen und erläutern. Dabei werden wir uns im einzelnen mit folgenden Themen beschäftigen:

  • Insolvenzgeld
  • Steuerzahlungen in Eigenverwaltung und Fotolia_5903257_XSSchutzschirmverfahren
  • Leasing- und Finanzierungskosten
  • Beendigung von Dauerschuldverhältnissen / Mietverträgen
  • Sozialplan-Regelungen nach der InsO
  • Kündigungserleichterungen bei Arbeitsverhältnissen und Sozialauswahl
  • Überstimmung von Gläubigern im Insolvenzplan
  • Anfechtungsmöglichkeiten
  • Steuerliche Regelungen zum Sanierungsgewinn

Ziel dieser Reihe ist es, durch eine bessere Kenntnis der Möglichkeiten des Insolvenzrechtes vor allen den KMU-Managern  die Angst vor der Nutzung des Insolvenzrechtes zu Sanierungszwecken zu nehmen.

Auch  die EU-Kommission strebt gegenwärtig eine weitere Öffnung des Rechtes der Mitgliedstaaten für ein vorinsolvenzrechtliche Sanierungsverfahren an. Viele der vorstehenden Themen und Aspekte werden auch dafür in neuen Varianten eine Rolle spielen.

Für Fragen und vor allem Themenvorschläge zu weiterführenden Aspekten sind wir offen und vor allem dankbar.


Grundsätze eines vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens

ESUG - neue SanierungschancenDie EU-Kommission hat bereits in 2014 eine Empfehlung "für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenz" abgegeben (Empfehlung der EU-Kommission vom 12.3.2014 ) Diese Empfehlung enthält auch Ansätze für die Gestaltung und rechtliche Regelung eines  vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens. Gemeint ist damit ausdrücklich kein außergerichtliches Verfahren, sondern ein gerichtlich kontrolliertes Sanierungsverfahren, das aber noch kein Insolvenzverfahren ist, sondern vielmehr auf einem gerichtlich überwachten Sanierungsplan fußt. Solche Regelungen gibt es bislang im deutschen Recht nicht. Der deutsche Gesetzgeber hat seit 1999 in mehreren Anläufen und Stufen vielmehr versucht, das Insolvenzrecht  "sanierungsfreundlicher" zu gestalten, um damit das Management von Krisenunternehmen dazu zu bewegen, frühzeitiger den Weg ins Insolvenzverfahren bei Sanierungsfähigkeit zu wagen.

Der Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. VID hat jetzt in einer  Stellungnahme seine Sicht dargelegt und Grundsätze für ein solches vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren vorgeschlagen.

Die Stellungnahme des VID zum vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahren steht auf dessen Website zum Download bereit.


Steuerliche Problemfelder bei der Unternehmenssanierung

Bei der Sanierung eines Unternehmens in der Krise sind immer auch die möglichen steuerlichen Folgen der Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Dabei liegen vor  allem drei Themen  regelmäßig auf dem Tisch:

  • die Steuerpflicht eines Sanierungsgewinnes,
  • der Untergang von Verlustvorträgen bei Investoreneintritt zum Zwecke der Sanierung,
  • die Wirkungen der Mindestbesteuerung.

Alle diese Fragen stehen im Übrigen nicht nur bei der außergerichtlichen Sanierung an, sondern auch bei der Restrukturierung mithilfe des Insolvenzrechtes, z.B. in einem Insolvenzplanverfahren.

 

Sind Sanierungsgewinne steuerpflichtig?

Hilfreich für die Sanierungspraxis wäre es sicherlich, wenn an dieser Stelle kein Fragezeichen stehen müsste. Tatsächlich herrscht  aber gegenwärtig keine Rechtssicherheit.

Sanierungsmaßnahmen sind häufig mit Forderungsversuchten von Gläubigern verbunden. Daraus entsteht regelmäßig eine bilanzierter Buchgewinn, der - soweit er nicht durch Verlustvorträge neutralisiert werden kann, auch grundsätzlich steuerpflichtig ist. Bis  2002 war durch gesetzliche Regelung im EStG der Sanierungsgewinn steuerbefreit. Der Gesetzgeber hat diese Regelung dann aufgehoben.  In der Praxis existiert die Steuerbefreiung des Sanierungsgewinnes aber weiter,  weil die Finanzämter den sog. Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums aus 2003 anwenden. Dieser führt in einem mehrstufigen Verfahren (Verrechnung mit Verlustvorträgen, die Steuerstundung und anschließenden Steuererlass) letztlich zur Steuerbefreiung des Sanierungsgewinnes auf dem Wege sog. Billigkeitsmaßnahmen, zumindest für die Ertragsteuern, die durch die Finanzämter verwaltet werden: die Körperschaft- und die Einkommensteuer.

Als weitere Ertragsteuer, die an einen Sanierungsgewinn anknüpft kommt jedoch regelmäßig die Gewerbesteuer ins Spiel. Die wird von den Kommunen erhoben, die an Billigkeitsmaßnahmen der Finanzämter nicht gebunden sind. Folglich sind auch diese durch gesonderte Anträge, die auf den gleichen Argumenten fußen, zur Erzielung der Steuerfreiheit einzubinden. Allerdings  entscheiden die Kommunen nach eigenem Ermessen entscheiden und sind nich an den Sanierungserlass des BMF gebunden.
Das größte aktuelle Problem liegt aber darin, dass der Sanierungserlass selbst auf rechtlich wackeligen Beinen steht. Gegenwärtig liegt die Frage der Rechtmäßigkeit des Erlasses dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vor. Im Raum stehen vor allem zwei Fragen: 1. Kann die Verwaltung (also das Bundesfinanzministerium) quasi durch die Hintertür wieder die Regelung - nämlich die Steuerfreiheit - einführen, die der Gesetzgeber zuvor ausdrücklich abgeschafft hat? 2. Ist die Steuerfreistellung des Sanierungsgewinnes möglicherweise eine Verstoß gegen das EU-Beihilferecht, weil es deutsche Unternehmen wettbewerbswidrig  privilegiert? Eine Entscheidung wird möglicherweise in 2016 fallen, falls der Große Senat des BFH nicht letztere Frage zunächst dem EuGH zur Stellungnahme vorlegt.

Anteilskauf durch Investoren

Ein weiteres Problemfeld bei Kapitalgesellschaften ist der Erwerb von Anteilen am zu sanierenden Unternehmen durch einen externen Investor. Häufig ist gerade der Einstieg eines externen Investors der einzige Weg um frisches Eigenkapital zu besorgen und damit auch Fremdkapitalgeber wie Banken und Lieferanten bei der Stange zu halten.

Werden aber durch diesen Beteiligungskauf mehr als 25% des vorherigen Stammkapitals übertragen, geht ein Verlustvortrag bei der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer anteilig in Höhe der übertragenen Beteiligungsquote unter. Werden mehr als 50% übertragen geht der Verlustvortrag ganz unter. D.h. Verluste, die ja gerade bei Krisenunternehmen häufig in der Vergangenheit entstanden sind, können für die Sanierung nicht mehr genutzt werden (§ 8c Abs. 1 KStG).

Der deutsche Gesetzgeber hatte dieses Problem durchaus gesehen, und im § 8c Abs. 1a KStG eine Ausnahmeregelung für den Fall der Sanierung vorgesehen, wenn tatsächlich frisches Eigenkapital zugeführt wird. Diese Regelung hat die europäische Kommission jedoch für europarechtswidrig erklärt und die weitere Anwendung untersagt. Da die Bundesrepublik Deutschland die Rechtsbehelfsfrist gegen diesen Beschluss versäumt hat, müssen wir also gegenwärtig damit leben, dass die Verlustvorträge untergehen.

Eingeschränkte Verlustverrechnung durch die Mindestbesteuerung

Selbst wenn der Verlustvortrag nutzbar bleibt, ganz oder nur teilweise (z.B. im Jahr des Eintritts eines Investors), tritt ein weiteres steuerliches Problemfeld hinzu: die  sog. Mindestbesteuerung. Die Regel besagt folgendes: Verluste können nur bis zu einer Million Gewinn unbeschränkt abgezogen werden und darüberhinaus nur zu 60%. Das heisst, dass 40% des Sanierungsgewinnes, der 1 Mio € übersteigt, immer steuerpflichtig bleiben.

Andere Problemfelder

Vorstehend haben wir nur die "Standard-Probleme" aufgezeigt, die bei nahezu jeder Sanierung in steuerlicher Hinsicht auftreten.
Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass auch andere Steuerarten tangiert werden können, so z.B. die Erbschafts- und Schenkungssteuer und fast immer die Umsatzsteuer. Gerade letztere stellt vor allem bei der Sanierung mittels Insolvenzrecht (z.B. Schutzschirmverfahren, Eigenverwaltung, Insolvenzplan) eine besondere Herausforderung dar.

Aktuelles zu Versagungsanträgen bei angestrebter Restschuldbefreiung

Nach Beobachtung vieler Berater und Verwalter in Insolvenzangelegenheiten nehmen die Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung durchaus zu.

Nun hat das AG Göttingen als Insolvenzgericht einen Antrag in einer sog. Bagatellesache zurückgewiesen. Im entschiedenen Fall ging es um einen "vergessenen Kleingläubiger".Näheres dazu berichtet Insolvenz News & Beratung.

Der Verfasser weist zurecht darauf hin, dass dies kein Grund sein kann, bei der Insolvenzantragstellung, insbesondere bei der Erstellung des Gläubigerverzeichnisses nachlässig zu arbeiten.