Fotolia_5903257_XSIn Teil 1 unserer Reihe zur Unternehmenssanierung mithilfe des Insolvenzrechtes hatten wir bereits einen kleinen Überblick über wesentliche  Werkzeuge,  die dabei eine Rolle spielen, gegeben. Ziel dieser Beitragsreihe ist es, durch eine bessere Kenntnis der Möglichkeiten des Insolvenzrechtes vor allen den KMU-Managern die Angst vor der Nutzung des Insolvenzrechtes zu Sanierungszwecken zu nehmen.

Im heutigen Beitrag sollen die Grundzüge, Wirkungsweisen und Vorteile des Insolvenzgeldes im Rahmen der gerichtlichen Unternehmenssanierung dargestellt werden.

DIE AUSGANGSLAGE: Lohn- und Gehaltsrückstand

Regelmäßig dürfte in Insolvenzverfahren bereits  bei der Antragstellung ein Lohn-und Gehaltsrückstand bestehen.   in der Regel sind dabei zumindest die Entgeltansprüche für den laufenden Monat, in dem der Insolvenzantrag gestellt wird, rückständig. Gelegentlich liegen aber auch bei Antragstellung schon mehrmonatige Rückstände vor. Die Forderungen der Arbeitnehmer aus den Arbeitsleistungen, die sie bereits für das Unternehmen erbracht haben, sind also selber  bereits ein Bestandteil der nicht mehr  gegebenen Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers.Für die  Arbeitnehmer tritt somit neben die Sorge um den Fortbestand ihres Arbeitsplatzes ganz existenziell in dieser Phase immer die Not, die eigene Liquidität zu sichern und weiterhin den eigenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können.

DIE RECHTSLAGE: Absicherung durch Insolvenzgeld

Insolvenzgeld ist eine Sozialleistung, die durch das Agentur für Arbeit ausgezahlt wird.  Durch das Insolvenzgeld werden im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers die nicht mehr bezahlten Arbeitnehmeransprüche für einen Zeitraum von längstens drei Monaten in voller Höhe des Nettoentgeltes abgesichert (§ 165 ff. SGB III).   Der Maximalbetrag des monatlichen Insolvenzgeldes liegt allerdings bei der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosengeld-Versicherung (aktuell 2016: 6.200,00 EUR West / 5.200 EUR Ost).

Dieser Drei-Monats-Zeitraum umfasst immer die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung (oder der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse).  Allerdings entsteht der Anspruch auf das Insolvenzgeld für den Arbeitnehmer auch erst zu genau diesem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Insolvenzgeld wird also rückwirkend gezahlt, was regelmäßig zur Folge hat, dass die Liquiditätsprobleme der Arbeitnehmer im Zeitraum zwischen der Insolvenzantragstellung und der deutlich späteren Insolvenzeröffnung durch das Insolvenzgeld eben nicht gelöst werden.  Zwar besteht die grundsätzliche Möglichkeit eine Vorschusszahlung auf das Insolvenzgeld zu erhalten, allerdings handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung der Agentur für Arbeit.  Problematischer ist aber noch, dass auch die Vorschusszahlung zunächst einen wirksamen Antrag auf unser Insolvenzgeld voraussetzt, der aber erst nach der Insolvenzeröffnung gestellt werden kann (oder ausnahmsweise, wenn das Arbeitsverhältnis bereits vor der Insolvenzöffnung endet).  Nach der Gesetzessystematik besteht der “Normalfall” also darin, dass der Arbeitnehmer für drei Monate ohne Gehaltszahlungen bleibt und diesen Zeitraum wirtschaftlich überbrücken muss. Für die meisten Arbeitnehmer ist dies eine faktische Unmöglichkeit.

Darüber hinaus birgt diese Gesetzeslage für das Unternehmen , das ja saniert werden soll, das Problem, dass Arbeitnehmer mehr oder weniger gezwungen werden, aus eigener Liquiditätsnot ihre Arbeitsverhältnisse zu kündigen, um bereits früher eine Zahlung auf das Insolvenzgeld zu erhalten. In der Regel werden somit gerade die gut qualifizierten Arbeitnehmer, die schnell eine neue Anstellung finden können, aus dem Unternehmen getrieben und stehen für die  Unternehmensfortführung nicht mehr zur Verfügung. Neben allen anderen Problemen und Vertrauensverlustes, die das insolvente Unternehmen in dieser Phase zu bewältigen hat, tritt also auch noch die Gefahr, dass wesentliche Leistungsträger das Unternehmen verlassen, weil Ihre Löhne und Gehälter nicht gezahlt werden können.

DIE LÖSUNG: Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes

Um für dieses Problem von Arbeitnehmern und Unternehmen eine Lösung zu finden, stellt § 170 Abs. 3 SGB III  die Möglichkeit der Insolvenzgeld-Vorfinanzierung als Werkzeug bereit.

Diese Vorfinanzierung erfolgt praktisch durch einen Bankkredit, den die Arbeitnehmer erhalten, und der aus dem späteren nach Verfahrenseröffnung gezahlten Insolvenzgeld wieder zurückgezahlt wird.

Initiiert werden kann die Entgeltvorfinanzierung im Fall des Regelinsolverfahrens durch den  Insolvenzverwalter.  Wird das unseren Verfahren in Eigenverwaltung (§  270a InsO, § 270b InsO) durchgeführt,  muss die Vorfinanzierung durch den Arbeitgeber selbst bzw. seine Sanierungsberater organisiert werden.

Notwendig ist somit zunächst die Sicherstellung der Kreditzahlung durch eine Bank, die im Regelfall schon länger mit dem Verwalter/Sanierungsberater zusammenarbeitet und das Procedere gut kennt. Einige Banken haben bereits spezialisierte Abteilungen für diese Vorfinanzierungsaufgaben. Notwendig ist aber auch die Zustimmung der Agentur für Arbeit zur Durchführung der Vorfinanzierung. Diese macht aber jede Zustimmung davon abhängig, dass die Vorfinanzierung dazu geeignet ist, einen erheblichen Teil der Arbeitsverhältnisse zu erhalten.  Letztlich ist also gegenüber der Bundesagentur die Fortführungsperspektive des Unternehmens glaubhaft zu machen.  Im Falle der Eigenverwaltung dürfte  in diesem Verfahrensstadium bereits ein Sanierungskonzept/Insolvenzplan vorliegen, der es ermöglicht diese Dokumentation gegenüber der Agentur vorzunehmen.  in den Fällen, in denen die Sanierung durch übertragende Sanierung erfolgen soll, verlangt die Bundesagentur in der Regel eine Aussage zu den bereitstehenden Kaufinteressenten  für die Vermögenswerte des Unternehmens und deren Fortführungsplänen.

Liegen die Finanzierungsbereitschaft einer Bank und die Zustimmung zur Vorfinanzierung seitens der Bundesagentur für Arbeit vor, werden dreiseitige Verträge zwischen den einzelnen Arbeitnehmern, dem Unternehmen/vorl. Insolvenzverwalter und der finanzierenden Bank geschlossen. Im Kern handelt es sich um Kreditverträge zwischen der Bank und dem einzelnen Arbeitnehmer, zu denen der Arbeitgeber bzw. vorläufige Insolvenzverwalter  garantiert, dass entsprechende Insolvenzgeldansprüche bestehen und bescheinigt werden, sodass eine Rückführung des Darlehens aus dem späteren Insolvenzgeld möglich wird.

In der Regel beauftragen sowohl Insolvenzverwalter als auch Sanierungsberater wiederum spezialisierte Dienstleister, häufig Steuerberater-Kanzleien mit Kenntnissen und Erfahrungen im Insolvenzrecht  und Insolvenzsteuerrecht mit der vollständigen Durchführung der Insolvenzvorfinanzierung.  Diese kümmern sich um die gesamte Vertragsabwicklung und vor allem die laufende monatliche Entgeltabrechnung und Auszahlung aus dem vorhandenen Darlehen an die jeweiligen Arbeitnehmer. Häufig übernimmt dieser Dienstleister auch für eine Übergangszeit die vollständige Funktion der Lohn und Gehaltsabrechnung des Unternehmens.

Wird später antragsgemäß das Verfahren eröffnet, stellen die Arbeitnehmer ihre Anträge auf Insolvenzgeld bei der Bundesagentur für Arbeit, Unternehmen/Insolvenzverwalter bescheinigen die rückständigen Arbeitsentgelte, die vorfinanzierende Bank legt die Abtretung des Anspruches auf Insolvenzgeld gegenüber der Bundesagentur vor.  Nach entsprechender Antragsbearbeitung und Bewilligung des Insolvenzgeldes wird dieses dann in der Höhe, wie es zuvor durch die Bank vorfinanziert wurde, an diese zurückgezahlt. Die Darlehensschuld des Arbeitnehmers ist dadurch wieder getilgt.

FAZIT

Das Insolvenzgeld und vor allem die Möglichkeit seiner Vorfinanzierung ist ein ein wichtiger Bestandteil einer Unternehmenssanierung im Rahmen des Insolvenzrecht. So werden gleichzeitig die Liquiditätsnöte der Arbeitnehmer beseitigt, Leistungsträger dem Unternehmen gesichert und darüber hinaus dem Unternehmen selber durch die Vorfinanzierung von maximal drei Monatslöhnungen  erhebliche Liquiditätsspielräume für die Unternehmenssanierung erschlossen. Die Summe dieser Vorteile  kann allerdings nur im Rahmen der gerichtlichen Sanierung mittels des Insolvenzrechtes erzielt werden.