Vorbemerkungen

Im Zeitraum vom 01.07.2020 soll der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 19% auf 16% gesenkt werden.

Die Anwendungsregelungen für die ab dem 01.07.2020 geltenden neuen Mehrwertsteuersätze sind noch nicht abschließend festgelegt. Insbesondere besteht auch noch keine gesetzliche Regelung. Die nachstehenden Hinweise orientieren sich daher an allgemeinen Regeln des Umsatzsteuersteuerrechtes bei Steuersatzänderungen sowie einem am 15.06.2020 veröffentlichen ENTWURF eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums. Spätere Änderungen oder Klarstellungen der dargestellten Regeln sind also möglich.

Grundsätze

Bei der Erstellung von Bauvorhaben handelt es sich um sog. Werklieferungen. Eine Werklieferung gilt grundsätzlich in dem Zeitpunkt als erbracht, in der das fertige Werk abgeliefert wird. Das ist bei Bauvorhaben in der Regel der Zeitpunkt der Schlussabnahme.

Daraus ergeben sich die umsatzsteuerlichen Grundregeln:

– Erfolgt die Abnahme für ein Bauvorhaben vor dem 01.07.2020 oder nach dem 31.12.2020 ist die gesamte Leistung (der Gesamtpreis) mit 19% Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen.

– Erfolgt die Abnahme vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 ist die gesamte Leistung mit 16% Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen.

– Teilleistungen, die im Einzelnen vertraglich vereinbart sind und für die objektive Kriterien (z.B. Fertigstellung eines Rohbaus) angeführt werden können, werden zu dem Zeitpunkt erbracht, in dem Teilleistung abgenommen wird. Wird die Teilleistung vom 01.07. bis 31.1.2020 fertig gestellt, kann sie mit 16% Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden.

– die bereits berechneten und geleisteten Anzahlungen werden mit den Beträgen bei der Schlussrechnung in Absatz gebracht die zuvor berechnet und bezahlt wurden, auch wenn diese mit einem anderen Umsatzsteuersatz berechnet wurden. Einer Korrektur von bisherigen Anzahlungsrechnungen bedarf also nicht (vgl. Tz. 8 BMF vom 15.03.2020). Die umsatzsteuerliche Korrektur erfolgt ausschließlich in der Umsatzsteuervoranmeldung.

Altverträge: Vertragsabschluss / Baubeginn vor dem 01.07.2020

  • Vor dem 01.07.2020 geleistete Anzahlungen: Es erfolgt keine Rechnungskorrektur der bisherigen Anzahlungs-/Abschlagsrechnungen. Die Anwendung des neuen Umsatzsteuersatzes erfolgt in der Endrechnung.
  • Abschlagsrechnungen zwischen dem 01.07. und 31.12.2020: die neuen Abschlagsrechnungen können mit 16% in Rechnung gestellt werden.
  • Fertigstellung (Schlussabnahme) im Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020: Das gesamte Bauvorhaben wird mit 16% Umsatzsteuer abgerechnet. Abschlagszahlungen werden mit ihren zuvor berechneten und gezahlten Beträgen, unabhängig davon, welche Steuer darin ausgewiesen war, in Abzug gebracht.
  • Fertigstellung (Schlussabnahme) nach dem 31.12.2020: Das gesamte Bauvorhaben wird mit 19% Umsatzsteuer abgerechnet.
  • Vertragsanpassungen mit Teilleistungen: Wenn Teilleistungen vereinbart werden sollen, die bis zum 31.12.2020 fertig gestellt werden, kann eine entsprechende Änderung der Bauverträge erfolgen. Die Änderung muss vor dem 01.07.2020 erfolgen. Die Teilleistungen müssen nach objektiven Kriterien klar abgegrenzt werden. Die Teilleistungen, die bis zum 31.12.2020 tatsächlich erbracht werden, unterliegen der Umsatzsteuer von 16%. Die späteren Teilleistungen ab dem 01.01.2021 wieder der Umsatzsteuer von 19%. Hinweis: Die üblichen vertraglichen Regelungen, wonach Teilzahlungen nach Baufortschritten geleistet werden, sind keine Vereinbarung von Teilleistungen, sondern lediglich eine Zahlungsvereinbarung.
  • Teilleistungen bis zum 30.06.2020: Wenn Teilleistungen bis zum 30.06.2020 gesondert abgerechnet werden sollen, so werden diese anerkannt, wenn:
  • es sich um einen wirtschaftlich objektiv abgrenzbaren Teil des Bauvorhabens handelt.
  • Die Abnahme der Teilleistung muss vor dem 01.07.2020 erfolgt sein.
  • Vor dem 01.07.2020 muss vereinbart worden sein, dass für Teilleistungen entsprechende Teilzahlungen gezahlt werden müssen.-Das Teilentgelt muss gesondert abgerechnet werden.

Sonderleistungen: Bauleistungen, die über den vorab vereinbarten Inhalt des Bauvertrags hinausgehen, gelten bei ihrer Fertigstellung als erbracht und der zu diesem Zeitpunkt geltende Umsatzsteuersatz ist in Ansatz zu bringen.

 

Neuverträge: Vertragsabschluss / Baubeginn nach dem 01.07.2020

  1. Abschlagszahlungen nach dem 01.07.2020: Die im Zeitraum 01.07.202 bis 31.12.2020 berechneten Abschlagszahlungen können mit 16% in Rechnung gestellt werden.
  2. Fertigstellung in 2021 oder später: Wird das Bauvorhaben erst nach dem 31.12.2020 fertig gestellt / abgenommen, ist die gesamte Leistung mit 19% zu berechnen.
  3. Bauverträge mit Teilleistungen: Es ist ggf. mit den Bauherren zu klären, ob eine Vereinbarung Teilleistungen gewünscht ist (z.B. Fertigstellung des Rohbaus bis zum 31.12.2020; Innenausbau nach dem 01.10.2021). hierzu gelten die obigen Grundsätze. Hinweis: Die üblichen vertraglichen Regelungen, wonach Teilzahlungen nach Baufortschritten gleistet werden, sind keine Vereinbarung von Teilleistungen, sondern lediglich eine Zahlungsvereinbarung.
  4. Festpreisvereinbarungen nur mit Anpassungsklauseln: Die Bauverträge sollten rechtlich daraufhin geprüft werden, ob sie eine Anpassungsklausel enthalten, die bei der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes eine Erhöhung des Festpreises ermöglichen. Ggf. sollte in den aktuellen Verträgen gleich auf die aktuelle Lage hingewiesen werden, wonach nach jetzigem Stand bei Fertigstellung in 2021 oder später der Gesamtpreis mit 19% Umsatzsteuer zu berechnen ist. Für vertragliche Anpassungen sollte ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden.