In der Praxis ist in der Insolvenz von Einzelunternehmern und Personengesellschaften immer wieder folgende Situation anzutreffen: Zum Zeitpunkt der Insolvenz sind Jahresabschlüsse und Steuererklärungen rückständig. Für das Veranlagungsjahr der Insolvenzeröffnung, häufig auch für das Jahr davor, wurden durch den Unternehmer keine Gewinnermittlungen mehr erstellt. Die Insolvenzverwalter kommen der an sich gegebenen handels- und steuerrechtlichen Verpflichtung zur Erstellung solcher rückständiger Gewinnermittlungen und Steuererklärungen nicht nach, in der Regel mit dem Argument, dass die Insolvenzmasse nicht auskömmlich sei, um die Kosten für solche Maßnahmen zu decken. Das Finanzamt schätzt daher die Gewinne, im günstigsten Fall auf Null.
Verlustvorträge nicht verschenken
Dies hat zur Folge, dass die Verluste die in diesen Zeiträumen entstanden sind, steuerlich nicht festgestellt werden und damit faktisch ungenutzt bleiben.
Während der gewerbesteuerliche Verlustvortrag durch die Auflösung des Betriebes eines Einzelunternehmers oder einer Personengesellschaft untergeht, gilt dies für den einkommensteuerlichen Verlustvortrag des Unternehmers bzw. Gesellschafters der Personengesellschaft aber keineswegs: Dieser ist grundsätzlich unbegrenzt und unbefristet vortragsfähig und kann daher für die Zukunft dieser Personen während und nach der Abwicklung des Insolvenzverfahrens eine wichtige steuerliche Begünstigung darstellen. Es ist denkbar, dass damit die positiven Einkünfte- auch die aus einer Angestellten-Tätigkeit -, die im Rahmen des Neustarts entstehen (sollten) für einen mehr oder weniger langen Zeitraum steuerfrei gestellt werden.
So ist jede natürliche Person, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren durchgeführt wird, grundsätzlich berechtigt, auch selbständig (freiberuflich oder gewerblich) tätig zu werden. Während des eigentlichen Insolvenzverfahrens (i.d.R. ca. 2 Jahre) gilt dies eingeschränkt, weil hier der Insolvenzverwalter beteiligt ist. Spätestens aber mit Eintritt in die sog. Wohlverhaltensperiode (i.d.R. die daran anschließenden 4 Jahre) und danach (Erteilung der Restschuldbefreiung) ist eine selbständige Tätigkeit prinzipiell unbegrenzt möglich. Werden hier Gewinne erzielt, kann der Verlustvortrag aus den Zeiträumen vor der Insolvenzeröffnung grundsätzlich damit verrechnet werden. Dies gilt auch im Rahmen der Zusammenveranlagung von Eheleuten, bei denen einer der Partner ein Insolvenzverfahren durchlaufen muss.
Kenntnis von Insolvenz- und Steuerrecht notwendig
Erste Voraussetzung dafür ist aber: Die Verluste aus den Zeiträumen bis zur Insolvenz müssen steuerlich festgestellt werden, d.h. die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für diese Jahre müssen aufgearbeitet werden. Hierzu ist es in jedem Fall vorteilhaft, sich eines Beraters zu bedienen, der die steuerlichen Konsequenzen und Gestaltungsspielräume wie die insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen gleichermaßen kennt: Die Insolvenzrechnungslegung spielt für die Ermittlung von Verlusten eine wichtige Rolle. Die Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter und dessen Interessen ist ebenso bedeutsam wie die Kenntnis des Verhältnisses von Insolvenzrecht und Steuerrecht. Nicht zuletzt ist das Wissen um die Möglichkeiten der steuerlichen Verlustnutzung und die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsmöglichkeiten des Finanzamtes bei Steuererstattungen eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Steuerstrategie nach der Insolvenz und einen wirtschaftlich erfolgreichen Neustart.
Fazit
Ist damit zu rechnen, dass durch die Erstellung von rückständigen Jahresabschlüssen und Steuererklärungen aus Zeiträumen vor der Insolvenzeröffnung Verluste festgestellt werden, sollte diese Aufarbeitung in jedem Fall erfolgen. Damit können wichtige finanzielle Entlastungen für den wirtschaftlichen Neubeginn erreicht werden. Wegen des zum Teil komplizierten Verhältnisses von Insolvenz- und Steuerrecht sollte hierzu ein in beiden Rechtsgebieten erfahrener Steuerberater hinzugezogen werden.