Verlustvorträge aus der Insolvenz nutzen
Verlustvorträge aus der Insolvenz nutzen

Für viele Steuerplichtige, die von einer Insolvenz ihres Einzelunternehmens betroffen sind, stellt sich die Frage: Können Verlustvorträge aus der Zeit vor der Insolvenz danach genutzt werden und was passiert damit im Zeitpunkt der Restschuldbefreiung?

Die Ausgangssituation: In der Regel ist die Insolvenz das Ergebnis einer mehr oder weniger lang anhaltenden Verlustperiode, die zu steuerlichen Verlustvorträgen führt. Nach der Insolvenzeröffnung versucht der Ex-Unternehmer wieder auf die Beine zu kommen, sei es durch eine neue unternehmerische Tätigkeit (im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter) oder durch eine unselbständige Beschäftigung. Daraus erzielt er/sie im günstigsten Fall positive Einkünfte. Nach Ablauf von 6 Jahren wird die Restschuldbefreiung erteilt, die in der Wirkung einem Erlass zuvor betrieblicher Verbindlichkeiten gleichsteht. Da diese Verbindlichkeiten in der Vergangenheit, d.h. vor der Insolvenzeröffnung,  zu betrieblichem Aufwand geführt haben, ergibt sich aus ihrem Erlass ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn.  

Die Rechtslage: Sanierungsgewinne sind entgegen einer früheren Regelung nicht mehr von der Einkommensteuer befreit. Das BMF (Bundesministerium der Finanzen) hat mit einer Verwaltungsanweisung aus 2003 zunächst geregelt, dass ein Sanierungsgewinn aus dem Erlass von  unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten zwar grundsätzlich steuerpflichtig ist, aber unter bestimmten Voraussetzungen die Steuer, die  nach Berücksichtigung von unternehmensbezogenen Verlustvorträgen auf den Sanierungsgewinn entfiel, erlassen bzw. abweichend von der allgemeinen Steuerpföocht festgesetzt werden kann. Damit sollte eine unternehmensbezogene Sanierung gefördert werden. Das galt aber ausdrücklich nicht für die unternehmerbezogene Sanierung. Eine Betriebseinstellung nach der Insolvenz oder eine sog. übertragende Sanierung durch Verkauf von einzelnen Vermögensgegegenständen an einen Nachfolger war nach dieser Lesart aber keine Unternehmenssanierung. Im Ergebnis bedeutete dies, dass die Restschuldbefreiung des Unternehmers selbst von dieser Begünstigung nicht erfasst wurde.

Mit BMF-Schreiben vom 22.12.2009 wurde nunmehr auch die unternehmerbezogene Restschuldbefreiung von dieser Regelung umfasst. Damit hat das BMF anerkannt, dass ansonsten ein Zielkonflikt zwischen dem Insolvenz- und dem Steuerrecht entsteht: Während zivilrechtliche Schulden von der Restschuldbfreiung erfasst werden, entstünde aus dieser Befreiung ein steuerpflichtiger Sanierungsgewinn, der nicht durch Billigkeitsmaßnahmen – d.h. Gerechtigkeit im Einzelfall – wie Erlass und abweichende Steuerfestsetzung – kompensiert werden könnte.

Jetzt gilt:

  • Der Verlustvortrag aus der Zeit vor der Insolvenz ist mit positiven Einkünften des Schuldners aus der Laufzeit des Insolvenzverfahren zu verrechnen. Achtung: Steuererstattungen des Schuldners, die sich daraus ergeben, unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen dem Zugriff des Insolvenzverwalters und damit der Gläubiger oder der Möglichkeit des Finanzamtes zur Aufrechnung mit Steuerschulden.
  • Der Sanierungsgewinn aus der Restschuldbefreiung ist zunächst mit dann noch bestehenden Verlustvorträgen zu verrechnen.
  • Bleibt danach noch ein Sanierungsgewinn,  kann dieser auf Antrag erlassen werden, zunächst wird allerdings nur vorläufig die Steuer gestundet, wegen möglicher Verluste im Folgejahr.
  • Da im Folgejahr nach der Restschuldbefreiung auch noch ein Verlust entstehen kann, der nach den Regelungen des § 10d EStG grundsätzlich ins Vorjahr  zurückgetragen werden soll, muss auch dieser noch für den Ausgleich des Sanierungsgewinns zur Verfügung gestellt werden. ACHTUNG: Stellt der Steuerpflichtige den grundsätzlich zulässigen Antrag, keinen Verlustrücktrag, sondern stattdessen einen – neuen – Verlustvortrag vorzunehmen, gilt der zuvor gestellte Erlassantrag bezüglich der Steuer auf den Sanierungsgewinn als zurückgenommen.
  • Ist das Folgejahr endgültig veranlagt und die Verlustverrechnung durchgeführt, wird der endgültige Erlass der Steuer auf den danach noch verbliebenen Sanierungsgewinn aus der  Restschuldbefreiung ausgesprochen.
  • Bleibt nach dieser Vorgehensweise noch ein Verlustvortrag, kann dieser nach den allgemeinen einkommensteuerlichen Regelungen weiter genutzt werden.

Fazit: Es besteht die Möglichkeit einen bei der Restschuldbefreiung noch bestehenden Verlustvortrag im Rahmen der Restschuldbefreiung zu nutzen. Wichtigste Voraussetzung dafür ist es aber, dass alle Verluste bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahren auch wirksam festgestellt werden. Das setzt voraus, dass auch rückständige Buchführungen und Gewinnermittlungen aufgearbeitet werden. Insolvenzverwalter tun dies in der Regel nicht. Dadurch gehen Verlustvorträge verloren. Der ehemalige Unternehmer sollte daher notfalls versuchen, dies in eigener Regie zu organisieren. Das Maximum an Verlustvorträgen kann dabei herausgeholt werden, wenn besondere Kenntnisse des Liquidations-Bilanzrechts und Insolvenz-Steuerrechts vorliegen.  Der Verlustvortrag kann auch schon während der sechsjährigen Phase des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens dazu genutzt werden,  um den Neustart zu finanzieren. In jedem Fall muss der ehemalige -und vielleicht auch zukünftige – Unternehmer dafür sorgen, dass er während des Insolvenzverfahrens umfassend steuerlich und insolvenzrechtlich betreut wird.