FG Münster | keine Haftung für Steuerzahlungen im vorläufigen Insolvenzverfahren

447352_web_R_K_by_Thorben Wengert_pixelio.deIn einem Beschluss über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Lohnsteuer-Haftungsbescheides hat das FG Münster jetzt (vorläufig) den Klägern Recht gegeben (FG Münster, Beschluss vom 03.04.2017 - 7 V 492/17 U). Diese waren Geschäftsführer einer GmbH und hatten  die Insolvenzeröffnung über das Vermögen der GmbH in Eigenverwaltung beantragt. Das Gericht hatte darauf die vorläufige Insolvenzverwaltung in Eigenverwaltung angeordnet und alle Zahlungen der Geschäftsführer für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern von der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters  abhängig gemacht.

Der Sachwalter teilte daraufhin den Geschäftsführern schriftlich mit, dass er der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern im vorläufigen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung widerspreche. Tatsächlich zahlte die Geschäftsführung dann auch keine Umsaztsteuerbeträge, die im vorläufigen Insolvenzverfahren fällig geworden waren. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens  erließ  das zuständige Finanzamt einen  Haftungsbescheid gegen die Geschäftsführer und verlangte von ihnen als Haftungsschuldner die Zahlung der rückständigen Umsatzsteuerbeträge.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren klagte der Geschäftsführer gegen das Finanzamt und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides. Diesem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das FG Münster mit dem o.g. Beschluss stattgegeben. Eine Entscheidung in der Hauptsache steht somit noch aus.

Dazu führte das Gericht sinngemäß aus:

Die Geschäftsführer der GmbH waren zwar nach den steuerlichen Regelungen verpflichtet, die Umsatzsteuerbeträge bei Fälligkeit aus dem GmbH-Vermögen zu bezahlen, ggf. auch nur quotal, soweit bei Gleichbehandlung aller Gläubiger das Geld reicht. Die Nichtzahlung war also eine steuerliche Pflichtverletzung, die grundsätzlich auch eine Haftung begründen kann. Dies gelte nach Rechtssprechung des BFH auch im vorläufigen Insolvenzverfahren.

Allerdings haben sie ihre Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt, denn aufgrund der Anordnung des Gerichtes durften die Geschäftsführer ohne Zustimmung des Sachwalters keine Steuerbeträge entrichten. Das Befolgen dieser Anordnung könne aber kein vorwerfbares grobes Verschulden der Geschäftsführer begründen, das zur HAftung führe.

ANMERKUNG: Es ist streitig, ob das Insolvenzgericht überhaupt berechtigt ist, solche selektiven Zustimmungvorbehalte wie vorliegend anzuordnen. Die Insolvenzgerichte sehen dies unterschiedlich (bejahend z.B. AG Heilbronn 23.3.2016 - 12 IN 149/16; verneinend z.B. AG Hannover 8.8.2015 - 909 IN 264/15). Das Finanzgericht sah die Frage der Zulässigkeit des Zustimmungsvorbehaltes aber als nicht relevant für die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer an.

 

 

 

 

 

 

 


BFH: Geschäftsführerhaftung für Einfuhrumsatzsteuer nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters

Der BFH hat seine strikte Haltung zur Geschäftsführerhaftung durch ein Urteil vom 27.09.2017  erneut bestätigt. Demnach ist der Geschäftsführer auch bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters verpflichtet, die fälligen Steuerbeträge aus Mitteln der insolventen GmbH zu bezahlen. Hier die Leitsätze des Gerichtes:

1. Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH beantragt und ein vorläufiger Insolvenzverwalter unter Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts bestellt, verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim gesetzlichen Vertreter der GmbH. Er wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus seiner Pflichtenstellung verdrängt und hat weiterhin dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln der GmbH entrichtet werden.

2. Ist für Einfuhrabgaben ein laufender Zahlungsaufschub gewährt worden, sind diese am Fälligkeitstag vorrangig ohne Rücksicht auf das Bestehen etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen zu entrichten. In diesem Fall ist daher auf die Haftung des GmbH-Geschäftsführers für die Einfuhrabgaben der sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung nicht anzuwenden. 

BFH, Urteil vom 26.9.2017 - VII R 40/16

Diese Haltung ist für die Praktiker kaum nachvollziehbar, weil sie den Geschäftsführer regelmäßig dazu bringt, sich in andere Haftungsfallen zu begeben, nämlich aus Verletzung der Pflicht zur Erhaltung der Insolvenzmasse (Massesicherungspflicht gem. § 15a InsO) und des Verbots unerlaubter Zahlungen i.S.v. § 64 GmbHG. Der BFH vertritt konsequent die Auffwegen Insolvenz geschlossenassung, dass die Pflicht zur Steuerzahlung allen anderen Pflichten vorgeht. Tatsächlich bringt diese Haltung keinen erkennbaren Nutzen für den Fiskus: Wenn solche Steuerforderungen nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung beglichen werden, werden sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens anfechtbar und müssen durch den Fiskus an die Insolvenzmasse zurückgezahlt werden.  Solche Verfahren werden regelmäßig auch eröffnet, weil der Anfechtungsanspruch gegenüber dem Finanzamt die Kosten des Verfahren in der Regel abdeckt. Für den Fiskus also ein Nullsummenspiel, für den Geschäftsführer eine unnötige Haftungsverschärfung.


BUNDESTAG: Gesetz zur Behandlung von Sanierungsgewinnen

 

Der Bundestag hat am 27.04.2017 das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen beschlossen, in das unter Art. 2-4 Regelungen zur Behandlung von Sanierungsgewinnen im bereits laufenden Gesetzgebungsverfahren integriert wurden.

In der neuen gesetzlichen Regelung ist ein neuer § 3a EStG („Sanierungserträge“) enthalten, dessen Regelungsgehalt kurz nachstehend  zusammengefasst wird:
•Sanierungsgewinne sind  steuerfrei. Die Steuerbefreiung wird nur gewährt, wenn der Unternehmer im Sanierungsjahr und im Folgejahr bestehende steuerliche Wahlrechte steuermindernd ausübt.
•Es muss eine  eine unternehmensbezogene Sanierung vorliegen.
•Bestehende Verlustverrechnungspotentiale aus den Vorjahren müssen bis zur Höhe des Sanierungsgewinns bis zum auf die Sanierung folgenden Jahr verbraucht werden. Bei zusammen veranlagten Ehegatten werden auch die laufenden negativen Einkünfte und Verlustvorträge des anderen Ehegatten einbezogen.
•3a Abs. 4 EStG n.F. regelt das Verfahren in Fällen, in denen der Sanierungsertrag von einer Mitunternehmerschaft erzielt wird.
•Die vorstehenden Regelungen sind auch auf Erträge anzuwenden, die im Falle der Restschuldbefreiung, eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans oder eines Schuldenbereinigungsplans im Verbraucherinsolvenzverfahren entstehen.
•Für Altfälle wird eine Anwendungsregelung in  § 53 Abs. 4a EStG n.F. geschaffen.
•Begleitende Reglungen durch Änderungen des KStG und GewStG wurden ebenfalls beschlossen. clause-684509_640

Den Gesetzeswortlaut kann über die Website des Deutschen Bundestages abgerufen werden.

Als Übergangsregelung hat das BMF am 27.04.2017 ein neues Anwendungsschreiben erlassen. 


NEUES BMF-Schreiben: Behandlung von Sanierungsgewinnen bis zur gesetzlichen Regelung.

clause-684509_640Der BFH hatte bekanntlich mit Beschluss vom 28.11.2016 (GrS 1/2016), veröffentlich am 08.02.2017, festgestellt, dass der bisherige sog. "Sanierungserlass" des BMF rechtswidrig sei. Wir hatten darüber und vor allem auch zur Begründung des BFH bereits berichtet. Das BMF hat anlässlich des  BFH-Beschlusses nunmehr am 27.04.2017 ein neues Schreiben veröffentlicht, das neue Richtlinien für die Behandlung von Sanierungsgewinnen bis zu einer gesetzlichen Regelung bietet. Diese gesetzliche Regelung hatte der Bundesrat bereits frühzeitig nach dem BFH-Beschluss gefordert.

Diese gesetzliche Neuregelung hat der Bundestag parallel am 27.04.2017 beschlossen.

Bis dahin gilt lt. BMF nunmehr folgendes:

1.Haben alle an der Sanierung beteiligten Gläubiger den Forderungsverzicht bis zum 08.02.2017 endgültig vollzogen, so soll der bisherige sog. Sanierungserlass weiter anwendbar sein. Bei einem Insolvenzplan gilt der Forderungsverzicht als endgültig vollzogen mit der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts über die Bestätigung des Insolvenzplans.
2.Wenn eine verbindliche Auskunft oder eine verbindliche Zusage zur Anwendung des Sanierungserlasses bis einschließlich 08.02.2017 erteilt wurde, hat diese Bestand, wenn der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger ganz oder im Wesentlichen vollzogen wurde, bevor eine Entscheidung über die Aufhebung oder Rücknahme der verbindlichen Auskunft oder Zusage fällt, oder wenn im Einzelfall andere Vertrauenstatbestände vorliegen.
3.Wurde die verbindliche Auskunft oder verbindliche Zusage nach dem 08.02.2017 erteilt, ist sie nur dann nicht nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO zurückzunehmen, wenn der Forderungsverzicht bis zur Entscheidung über die Rücknahme vollzogen wurde.
4.In allen anderen Fällen sind Billigkeitsmaßnahmen (abweichende Steuerfestsetzungen oder Stundungen) nur noch unter Widerrufsvorbehalt vorzunehmen. Erlassentscheidungen nach § 227 AO sind zurückzustellen.
5.Billigkeitsmaßnahmen aus anderen sachlichen oder persönlichen Gründen im Einzelfall sind davon unberührt.

Das vollständige BMF-Schreiben finden Sie hier: BMF-Schreiben vom 27.04.2017, V C 6 – S 2140/13/10003

 


WORKSHOP: "Basiswissen Insolvenzrecht für MitarbeiterInnen im Rechnungswesen"

Am 22.05.2017 ab 14:00 h veranstalten wir einen ca. 4-stündigen Workshop zum Thema Insolvenzrecht in unserer Kanzlei in Lippstadt.

Das Insolvenzrecht spielt in zunehmendem Maße in die Unternehmenspraxis hinein, selbst wenn das eigene Unternehmen gut dasteht. Die Schwierigkeiten anderer haben immer auch Auswirkungen auf den eigenen Betrieb. Wer als Kunde oder Lieferant seinen Vertragspartner in dessen schwierigen Phasen unterstützen möchte, geht damit aber auch eigene Risiken ein. Read more


Fördermittel: Leasing jetzt auch über KfW möglich

Die KfW und die Grenke AG haben einen Vertrag für Leasingfinanzierungen über 100 Mio. € abgeschlossen. Förderberechtigt sind kleine und mittlere Firmen, Freiberufler und Gründer mit Sitz in Deutschland und einem Jahresumsatz bis 500 Mio. €. Berechtigte müssen bei der Grenke AG einen Fördergutschein ausfüllen und ihn mit dem Leasingantrag einreichen. Bei Vertragsabschluss wird der Gutschein eingelöst und der Förderbetrag dem Leasingkunden vorab gutgeschrieben. Die Förderung endet im Juni 2017. Private Anschaffungen werden nicht gefördert.

QUELLE: NWB Betriebswirtschaftliche Beratung 02/2017