Steuervereinfachungsgesetz 2011 | Der Bundesrat hat zugestimmt

Steuervereinfachungsgesetz 2011 passiert den BundesratFast 10 Monate hat es gedauert, bis nach der Einigung im Koalitionsausschuss auch der Bundesrat jetzt dem Gesetz zugestimmt hat. Im Vermittlungsausschuss zum Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat man sich am 21.9.2011 geinigt. Bundesrat und Bundestag verständigten sich u.a. darauf, die für einen Zweijahreszeitraum zusammengefasste Einkommensteuererklärung doch nicht passieren zu lassen.  Damit ist die vorher so publikumswirksam propagierte "wichtigste Vereinfachung" vom Tisch. Bundestag und Bundesrat haben der vom Vermittlungsausschuss empfohlenen Gesetzesänderung am 23.9.2011 zugestimmt. Das Gesetz wird jetzt dem Budnespräsidenten zur Unterzeichung vorgelegt und tritt dann in Kraft.

Hier die wichtigsten Regelungen des neuen Gesetzes in Stichworten:

  • Anhebung des jährlichen Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 920 Euro auf 1.000 Euro, § 9a EStG
  • Verzicht auf die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen der Eltern bei der Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, §§ 9c, 10 EStG
  • Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder beim Familienleistungsausgleich, § 32 EStG
  • Vereinfachung bei der Berechnung der Entfernungspauschale, § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG
  • Reduzierung der Veranlagungsarten für Eheleute, §§ 25, 26a EStG
  • Befreiung von der Pflichtveranlagung bei Arbeitnehmern mit geringem Arbeitslohn bei zu hoher Mindestvorsorgepauschale, § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG
  • Wegfall der Einbeziehung der abgeltend besteuerten Kapitaleinkünfte in die Ermittlung der zumutbaren Belastung und des Spendenabzugsvolumens, § 2 Abs. 5b EStG
  • Gleichstellung von Stipendien aus unmittelbaren und mittelbaren öffentlichen Mitteln, § 3 Nr. 44 EStG
  • Erfassung von Erstattungsüberhängen von Sonderausgaben im Jahr des Zuflusses, § 10 EStG
  • Vereinheitlichung der Grenzen bei verbilligter Wohnraumüberlassung und Verzicht auf das Erfordernis einer Totalüberschussprognose in diesen Fällen, § 21 EStG
  • Vereinfachung der Besteuerung außerordentlicher Einkünfte aus Forstwirtschaft, §§ 34, 34b EStG, §§ 51, 68 EStDV
  • Einführung einer Bagatellgrenze bei der Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft, § 89 AO
  • Einführung einer gesetzlichen Betriebsfortführungsfiktion in den Fällen der Betriebsverpachtung und -unterbrechung, § 16 EStG
  • Erleichterungen bei der elektronischen Rechnungsstellung, § 14 UStG
  • der Katalog der steuerfreien Einnahmen des § 3 EStG soll um solche Befreiungsvorschriften bereinigt werden, die keine praktische Bedeutung mehr haben.

Wir werden hier im Blog auf die eine oder andere Änderung kommentierend zurückkommen.


ELENA ist Geschichte

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) haben sich darauf verständigt, das sog. ELENA-Verfahren schnellstmöglich einzustellen. Das teilten beide in einer gemeinsamen Pressemitteilung am 18.07.2011 mit

Nach dem sog. ELENA-Verfahrensgesetz (Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises) müssen die Arbeitgeber seit dem 1.1.2010  für jeden ihrer Arbeitnehmer einmal pro Monat einen Datensatz an eine zentrale Speicherstelle übersenden. Darin ist eine Vielzahl persönlicher Angaben über die jeweilige Person enthalten. Mit dem ELENA-Verfahren sollte ursprünglich ab 2012 der Einkommensnachweis , z.B. für Leistungen der Bundesagentur für Arbeit oder für andere Sozialleistungen, elektronisch mithilfe einer Chipkarte und elektronischer Signatur erbracht werden. Wegen erehblicher Anlaufschwierigkeiten beim Testbetrieb war zuletzt eine Verschiebung der verbindlichen Einführung auf 2014 diskutiert worden. Jetzt haben sich  BMWi und BMAS  darauf verständigt, ELENA „schnellstmöglich einzustellen“.

In der Pressemitteilung wird zu den Gründen ausgeführt:  "Grund ist die fehlende Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur. Umfassende Untersuchungen haben jetzt gezeigt, dass sich dieser Sicherheitsstandard, der für das ELENA-Verfahren datenschutzrechtlich zwingend geboten ist, trotz aller Bemühungen in absehbarer Zeit nicht flächendeckend verbreiten wird. Hiervon hängt aber der Erfolg des ELENA-Verfahrens ab. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, dass die bisher gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht und die Arbeitgeber von den bestehenden elektronischen Meldepflichten entlastet werden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie wird in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Es ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, Lösungen aufzuzeigen, die die bisher getätigten Investitionen der Wirtschaft aufgreifen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Konzept erarbeiten, wie die bereits bestehende Infrastruktur des ELENA-Verfahrens und das erworbene Know-how für ein einfacheres und unbürokratisches Meldeverfahren in der Sozialversicherung genutzt werden können."

Tatsächlich waren  bereits seit Beginn der ELENA Diskussion von vielen Seiten vor allem zwei Kritikpunkte herausgestellt worden:  Einerseits wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren eine unzulässige Vorratsdatenspeicherung  darstelle, was bis zum Vorwurf der Verfassungswidrigkeit  ging, und andererseits wurden die erheblichen Bürokratiekosten für Arbeitgeber und externe Lohnabrechnungsstellen, z.B. Steuerberater, angeführt.  Das Ende von ELENA dürfte somit breite Zustimmung finden.

Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung des BMWi und des BMAS v. 18.7.2011


Umsatzsteuer: Reverse-Charge-Verfahren für Umsätze mit Mobilfunkgeräten

Der Bundesrat hat  am 27.5.2011 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 14.4.2011 verabschiedeten Sechsten Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen zuzustimmen. Auf Veranlassung des Bundesrats wurde das Gesetz  um eine Änderung im Umsatzsteuergesetz ergänzt:  Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger (sog. Reverse-Charge-Verfahren)  u.a. auf Mobilfunkgeräte auszuweiten. Die nun beschlossene Neuregelung zum Reverse-Charge-Verfahren für Umsätze mit Mobilfunkgeräten soll bereits zum 1.7.2011 in Kraft treten.

Quelle: Bundesrat online


Regierungsenwurf: Erleichterungen für die Unternehmenssanierung

 

Die Unternehmenssanierung mit Hilfe des Insolvenzrechts soll verbessert werden

Das Bundeskabinett hat am 23.02.2011 einen Regierungsentwurf zur Reform des Insolvenzrechts vorgelegt. Dieser soll  zur weiteren

Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beitragen. Dazu sind mehrere Reformvorhaben zum Insolvenzrecht im Regierungsentwurf zusammengefasst.

Im Wesentlichen geht es um folgende teilweise sehr interessante Regelungen:

  • Gläubigerausschuss:

Es wird die Möglichkeit geben, schon im Insolvenz-Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen. Dieser hat  bei bestimmten Unternehmen Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung. Das Institut der Eigenverwaltung wird zur Regel, statt wie bisher zur Ausnahme erhoben. Befürwortet der Gläubigerausschuss die Eigenverwaltung einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein. Vorgaben des Ausschusses zur Person des Verwalters sollen für den Richter unter bestimmten Umständen bindend sein.

  • Sog. neues „Schutzschirmverfahren“:

Ein Schuldner soll  zukünftig bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten unter  einer Art „Schutzschirm“ unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Dieser Sanierungsplan kann  dann anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden. Das Gericht soll weiterhin nicht nur als Regel den vom Schuldner Vorgeschlagenen als vorläufigen Sachwalter einsetzen, auf Antrag ist das Gericht dazu auch verpflichtet, Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Zudem darf es im Schutzschirmverfahren weder einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen noch dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entziehen.

  • Insolvenzplanverfahren:

Der Entwurf des Bundeskabinetts will die Rechtsmittel gegen die Bestätigung des Insovlenzplans moderat beschränken, damit einzelne Gläubiger nicht mehr in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern können. Im Rahmen des Planverfahrens können künftig als bewährtes Sanierungsinstrument auch Forderungen von Gläubigern in Beteiligungskapital umgewandelt werden („dept-equity-swap).

  • Vollstreckungsschutz:

Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden und erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, können die  Finanzplanung der Durchführung des Insolvenzplans nachträglich stören, Deshalb soll der Schuldner künftig die Möglichkeit haben, bei Vollstreckungsversuchen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erhalten, wenn er nachweist, dass die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet.

  • Verjährungsfristen:

Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind und mit denen deshalb nicht zu rechnen war, sollen künftig in einem Jahr verjähren.


Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vorgelegt. Die erste Lesung im Bundestag ist am 16.12.2010 erfolgt.  

Die Regelungen zur Selbstanzeige (§ 371 AO) sollen darin "den aktuellen Bedürfnissen angepasst"  und so gestaltet werden, dass sie "zielgenauer" wirken. Anders als teilweise gefordert, verzichtet der Entwurf auf einen fünfprozentigen Strafzins für reuige Sünder. Des Weiteren enthält er eine Übergangsregelung, so dass bereits erstattete Selbstanzeigen, die (nur) Teilselbstanzeigen , also nach neuer LEsart unvollständig waren, Status der Straffreiheit insoweit erhalten bleibt:

Die Wesentlichen Änderungsvorschläge nach dem Gesetzentwurf sind:  

1. Bei einer Selbstanzeige tritt nur dann Straffreiheit ein, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller in Frage kommenden Steuerarten, nunmehr zutreffend nacherklärt werden. Das bedeutet, aus sämtlichen strafrechtlich bisher noch nicht verjährten Besteuerungszeiträumen müssen die unterlassenen oder unvollständigen Angaben vollständig nachgeholt beziehungsweise sämtliche Unrichtigkeiten vollumfänglich berichtigt werden.

2. Für den Ausschluss der Straffreiheit soll künftig bereits die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung genügen . Bisher war hierfür das Erscheinen des Prüfers der maßgebliche Zeitpunkt. Mit dieser zeitlichen Vorverlegung des Ausschlussgrundes wird der gesetzliche Regelfall des „Erscheinens" zur Ausnahme. Nach Erhalt der Prüfungsanordnung wäre somit eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich.

3. Die Straffreiheit kann nicht erlangt werden, wenn von den bisher verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen bewusst nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt werden, z.B. weil nur genau deren Aufdeckung unmittelbar befürchtet wird. Alle Besteuerungsgrundlagen müssten demnach zutreffend nacherklärt werden . Ein Taktieren mit einer bloß teilweisen Offenbarung (bewusste Teilselbstanzeige) soll damit ausgeschlossen sein. Nur wer sich für eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit entscheidet, könne sich der Straffreiheit sicher sein. Unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten sollen jedoch nicht zum Ausschluss der Straffreiheit führen.

4. Mit einer Übergangsregelung  soll das Vertrauen der Steuerpflichtigen, die bereits vor Verkündung des neuen Gesetzes eine Teilselbstanzeige erstattet haben, berücksichtigt werden. Das heisst: Für bereits erstattete Selbstanzeigen, die tatsächlich (nur) Teilselbstanzeigen waren, soll daher der bei Abgabe der Selbstanzeige bestehende Status der Straffreiheit insoweit erhalten bleiben. Die nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes erstattete (weitere) Selbstanzeige sollen als erstmalige Selbstanzeige gewertet werden. Die Straffreiheit soll dabei nur eintreten, wenn zu diesem Zeitpunkt alle bis dahin noch nicht offenbarten steuerlich erheblichen Sachverhalte der unverjährten Vergangenheit in vollem Umfang erklärt, berichtigt oder ergänzt werden.

QUELLE: NWB Reform-Radar


Gutachten zu ermäßigten Umsatzsteuersätzen liegt vor

"BEFELDT Steuerberater" "Steuerberater Lippstadt" "Steuerberatung Lippstadt"Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Sachverständigen-Gutachten in Auftrag gegeben, in dem beurteilt werden sollte, inwieweit das gegenwärtige System, bestimmte Leistungen nur mit einer ermäßigten Umsatzsteuer von 7% zu besteuern, gerechtfertig ist und in welchen Bereichen es ggf. refomiert werden soll.

Das Gutachten liegt jetzt vor. Die Gutachter haben jede einzelne ermäßigt besteuerte Leistung auf den Prüfstand gestellt und deren Begründung und tatäschliche Wirksamkeit unter Förderungsgesichtspunkten untersucht. Das Ergebnis in Kurzform ist klar und lesenswert:

"Als Fazit dieses Gutachtens ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber der Versuchung widerstehen sollte, den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum im Sinne einer möglichst weitgehenden Einräumung ermäßigter Steuersätze zu nutzen. Vielmehr empfiehlt es sich, die umsatzsteuerlichen Steuersatzermäßigungstatbestände weitestgehend abzuschaffen. Die damit bewirkte Vereinfachung des Steuerrechts senkt die Befolgungskosten für Steuerpflichtigte und Verwaltung, vermeidet nicht zu rechtfertigende Privilegierungen bestimmter leistungsanbietender Unternehmergruppen und trägt zu einer widerspruchsfreieren und gerechteren Belastung der Verbraucher anhand ihrer Konsumaufwendungen bei. Etwaigen nicht gewünschten Erhöhungen des Umsatzsteueraufkommens aus einem weitgehenden Verzicht auf Steuersatzermäßigungen kann durch eine entsprechende Senkung des Regelsteuersatzes leicht begegnet werden.

Kurzum: Für die allermeisten Umsatzsteuerermäßigungen gibt es keine tragfähige Begründung. In Zukunft sollten daher prinzipiell alle umsatzsteuerpflichtigen Leistungen dem Regelsatz unterliegen. Ein ermäßigter Steuersatz erscheint nur für Lebensmittel gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die für diese Reform erforderlichen Spielräume - er sollte sie nutzen ."( Hervorhebung im Original) .

Dem ist wohl nicht viel hinzuzufügen. Ganz nebenbei haben die Gutachter hier auch noch ein paar Leitlinien eingezogen, die grundsätzlich für jede echte Steuerreform als Orientierung dienen sollten.


Statt einem Fiskusvorrecht im Insolvenzverfahren drei kleine Vorrechte

Der  Gesetzentwurf der Bundesregierung zum sog. "Sparhaushalt" liegt jetzt endlich vor. Er heisst jetzt aber "Zukunftspakt"und ist technisch ein Haushaltsbegleitgesetz.

Neben herben Einschnitten in Sozialleistungen und  der neuen Luftverkehrsteuer, sind darin auch Änderungen im Insolvenzrecht enthalten, die den Fiskus künftig besser stellen sollen. Während bei den ersten Ideen zunächst die Wiedereinführung des früheren Fiskusvorrechts bei den Insolvenzforderungen beabsichtigt war, hat man jetzt an drei anderen Stellen Besserstellungen der öffentlichen Hand eingarbeitet, die ich hier kurz vorstellen und kommentieren will:

1. Der Insolvenzantrag von Finanzamt oder Krankenkasse wird nicht mehr unzulässig, wenn der säumige Schuldner nach dem Antrag die Forderung bezahlt (Anfügung bei § 14 Abs. 1 InsO)Zahlt ein Schuldner nach bisherigem Recht nach einem Insolvenzantrag die Forderung, derentwegen der Antrag gestellt wurde, so wird dem antragstellenden Gläubiger regelmäßig das Rechtsschutzintersse zu verneinen sein. Damit entfällt eine wesentliche Voraussetzung für eine Fortsetzung des Verfahrens und der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen. Das bestätigt auch die Bundesregierung in der Begründung Ihres Änderungsentwurfes, fügt aber gleichzeitig an, dass dies für Finanzbehörden und Steuerbehörden nicht gelten könne.
Begründung: Während jeder andere Gläubiger seine Geschäftsbeziehung zum säumigen Schuldner aufgeben könne, gälte dies für Finanzamt und Sozialversicherung nunmal nicht, so dass in dieser "Zwangsbeziehung" immer wieder neue Forderungen entstehen würden.  Vor diesem Hintergrund habe das Finanzamt ebenso wie die Sozialversicherungen ein besonderes Interesse, Klarheit über die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu erhalten. Das ginge nur durch die Fortsetzung des Insolvenzverfahrens. Originaltext der Gesetzesbegründung "Vor diesem Hintergrund dürften Finanzbehörden und Sozialversicherungsträger die einzigen größeren Gläubigergruppen sein, bei denen trotz vollständiger Befriedigung ein rechtliches Interesse an der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens besteht.

Die Argumentation ist abstrus: Armer Fiskus, er wird gewzungen Steuern zu erheben und muss mehr oder weniger wehrlos hinnehmen, dass immer wieder neue Steuern entstehen, auch wenn der Schuldner sie nicht mehr bezahlen kann.  Selbstverständlich ist es Wesen eines Zwangsverhältnisses, das man sich ihm nicht entziehen kann, und zwar beiderseitig: auch der Schuldner kann sich nicht entscheiden, ob er mit dem Finanzamt oder der Sozialversicherung "Geschäfte" machen möchte, und dies auch nicht in Situationen, in denen er wegen eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten andere Geschäfte sehr wohl stoppen und Geschäftsbeziehungen beenden kann. In dieser Lesart ist also das Besteuerungsrecht nichts anderes als eine besondere Form des "Kontrahierungszwangs". Das öffentliche Recht der Erhebung von  Abgaben, ist also ein besonderer Nachteil  gegenüber der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit.
Kreativ! Bis man auf diese Idee kommt, wird der eine oder andere Rotwein getrunken werden müssen. Vielleicht ist das aber auch nur das Ergebnis chronischen Schlafmangels bei den langen Streitereien der Koalitionspartner und Ressortverantwortlichen. Nun, zumindest mit diesem Teil des Regierungsentwurfes dürften die Insolvenzverwalter und anderen Gläubiger gut leben können: Wird das Insolvenzverfahren nach einer durch den Insolvenzantrag erzwungen Zahlung des Schuldners fortgesetzt, ist diese vorherige Zahlung  mit Sicherheit anfechtbar und wird zurück zur Insolvenzmasse fließen müssen. Die öffentlichen Kassen haben nichts davon. Einnahmen werden daraus nicht generiert. Im Ergebnis dürfte es sich auch haushaltstechnisch um Luftbuchungen handeln. Das Einzige, was durch ein früher eingeleitetes Insolvenzverfahren "eingespart"wird, ist der Verlust zukünftiger Steuern, die man nach der Begründung des Regierungsentwurfes ohnehin nicht bekommen hätte.

2. Steuerverbindlichkeiten aus dem Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens sind künftig Masseverbindlichkeiten (Anfügung an § 55 Abs. 4 InsO)Die Steuern, die aus Geschäften des Unternehmens während des vorläufigen Insolvenzverfahrens entstehen, sollen zukünftig Masseverbindlichkeiten sein, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein sog. "starker" oder "schwacher" vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Nach geltender Rechtslage ist dies nur beim sog. "starken" vorläufigen Verwalter so, der im Ergebnis verwalten und verfügen darf, wie ein späterer endgültiger Insolvenzverwalter. Begründung für den jetzigen Änderungsentwurf: Der Gesetzgeber habe doch mit seiner Insolvenzrechtsreform erwartet, dass die Gerichte und Verwalter mit Jubel die Figur des "starken Verwalters" aufnehmen würden . Tatsächlich täte das aber keiner und deswegen müsse man dem einen Riegel vorschieben. Das ist Unsinn: Der Gesetzgeber, der über die Insolvenzrechtsreform von 1999 zuvor 15 Jahre lang beraten hat, wollte mit der Figur des "starken" Insolvenzverwalters vor allem die Schwächen des früheren "Sequesters" korrigieren, die immer dann zu Tage traten, wenn schnelle Entscheidungen über die Unternehmenszukunft bereits während des vorläufigen Insolvenzverfahrens zu treffen waren. Nach dieser Motivation war und ist der "starke Verwalter" eine besondere Option, keinesfalls aber als Regelfall gedacht. Das danach eingeführte Wahlrecht "starker/schwacher Verwalter" ist also ausschließlich in der Verfahrensökonomie begründet und unterliegt somit den Entscheidungen des Gerichtes und den Grundsätzen der Gläubigerautonomie, weil es sich an der Vorteilhaftigkeit für die Gesamtgläubigerschaft orientiert. Die Rechtsfigur des "starken Verwalters" im Nachhinein als vorrangig fiskalisch motiviert umzudeuten, entspricht nicht der Rechtsgeschichte.

Besonders abstrus wird die weitere Gesetzesbegründung danach: "Zudem ist zu beobachten, dass  manche schwachen Verwalter ihre Rechtsstellung gezielt ausnutzen, um die Masse durch aktive Gestaltungen zulasten des Fiskus weiter anzureichern."  Zum einen ist der Verwalter selbstverständlich dazu da, seine Rechtsstellung aktiv zu nutzen um die Masse anzureichern. Das ist quais das Wesen seines Jobs. Tut er das nicht, begibt er sich in die persönliche Haftung für seine Unterlassung. Zum anderen ist es ein selbstverständliches Recht, im Rahmen aktiver Geschäftstätigkeit vorhandene Gestaltungsspielräume zu nutzen, die sich aus den geltenden Gesetzen ergeben. Dies im Nachhinein als eine Qualität "schwarzer Schafe" darzustellen, ist infam und dürfte den Berufsstand auf die Palme bringen. 

Unabhängig von den fadenscheinigen Begründungen wird diese Regelung auch in tatsächlicher Hinsicht erhebliche Nachteile auslösen. Wird die Masse während des vorläufigen Insolvenzverfahrens weniger angereichert, wird es zu weniger Verfahrenseröffnungen kommen, was wiederum die Sanierungschancen des Unternehmens und die Befriedigungschancen aller Gläubiger erheblich negativ beeinflusst und dies m.E. in noch weit größerem Maße als ein Fiskusvorrecht bei den Insolvenzforderungen. Die Neuregelung des § 55 Inso greift bereits vor der Insolvenzeröffnung und verhindert in vielen Fällen die geordnete Regelung von Gläubigerinteressen.  Interessant ist: Der Gesetzgeber scheint dies ja sehr wohl zu sehen: In der Kosten-Nutzen-Rechnung der beabsichtigten Änderungen steht einem Mehr an Umsatzsteuer ein Weniger an Körperschaft- und Gewerbesteuer gegenüber, was wohl nur bedeuten kann, dass zukünftige Ertragspotenziale des sanierten Unternehmens und befriedigter Gläubiger nachteilig beinflusst werden.

3. Das Aufrechnungsverbot des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO gilt zukünftig nicht mehr für die Steuergläubiger (Anfügung als  § 96 Abs. 3 InsO)Faktisch bedeutet dies: Alle Aufrechnungsbeschränkungen im Insolvenzverfahren gelten zukünftig für den Steuergläubiger nicht mehr. Es darf ohne Rücksicht auf Entstehenszeiträume, Rechtsgründe und Gläubigerstellung aufgerechnet werden. Forderungen dürfen zur Herstellung von Aufrechnungslagen untereinander abgetreten werden und zwar unabhängig davon ob der Gläubiger oder Schuldner Bund, Länder oder Gemeinden sind. Die aktive Herstellung von Aufrechnungslagen durch Steuergläubiger ist nicht mehr anfechtbar

Den Luxus einer echten Begründung leistet sich der Gesetzgeber bei dieser beabsichtigten Änderung schon gar nicht mehr. Es genügt der lapidare Hinweis, dass der Fiskus ja bisher auch schon Aufrechnungserleichterungen habe. Da könne es ja wohl offensichtlich auch nichts mehr ausmachen, wenn man an dieser Stelle die Aufrechnungslage jetzt wasserdicht mache. Abgesehen davon, dass eine solche "Begründung" natürlich rechtssystematisch äußerst fragwürdig ist, wird die Wirkung dieser Maßnahme die Masseausstattung der Verfahren schmälern und damit ebenfalls erheblich auf die Eröffnungsfähigkeit von Insolvenzverfahren, die Sanierungsfähigkeit und die  Befriedigungsquoten anderer Gläubiger einwirken.

Fazit: Alle Regelungen, die für alle ab 1.1.2011 gestellten insolvenzanträge gelten sollen,  sind in erheblichem Maße kontraproduktiv für ein Insolvenzrecht, dass einmal an den Grundsätzen der Gläubigerautonomie ausgerichtet wurde und die Sanierungschancen von Unternehmen verbessern sollte. Die Begründungen sind rechtssystematisch und historisch abenteuerlich  und kaschieren das ausschließliche Ziel, Kasse zu machen, kaum. Ob es gerechtfertigt ist, wegen eines erwarteten Mehrergebnisses von "nur" 250 Mio € derartig massive Einschnitte in die Sanierungspraxis zu Lasten von anderen Gläubigern und Arbeitnehmern vorzunehmen, dürfte in der weiteren Diskussion im Vordergrund stehen.


Finanzmarkttransaktionssteuer: Die Diskussion gewinnt an Fahrt

Finanzmarkttransaktionssteuer
globale Finanzströme sollen besteuert werden

Die "Finanzmarkttraktionssteuer" ist auf dem besten Weg zum Wort des Jahres zu werden. In jedem Fall ist sie  das Wort des Monats Mai. Nahezu täglich gibt es dazu neue Stellungnahmen verschiedener politischer und wirtschaftlicher Akteure, deren Position, wie im Fall der Bundeskanzlerin Angela Merkel, sich auch schon einmal in Tagesfrist ändern kann.  Einen interessanten Überblick über die aktuelle Diskussion bietet nealine.

Was ist das eigentlich, diese Finanzmarkttransaktionssteuer? Eine gute Beschreibung dazu findet sich bei wikipedia. Und wer es gerne visuell aufbereitet mag, findet dazu auch ein Video mit einer Positionsbestimmung namhafter Schauspieler.