Restschuldbefreiung zukünftig in 3 Jahren möglich?

Restschuldbefreiung in 3 Jahren?Das Bundesministerium für Justiz (BMJ) hat einen Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen" vorgelegt.  Nach ESUG handelt es sich um die zweite Stufe der Insolvenzrechtsreform.

Wesentlichster Punkt darin ist die geplante Verkürzung der Restschuldbefreiungsperiode, die gegenwärtig bei 6 Jahren liegt auf 3 bzw. 5 Jahre. Damit setzt die Koalition eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages aus 2009 um.

Hierzu schreibt das BMJ:

"Der Entwurf eröffnet Schuldnern die Möglichkeit, die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von derzeit sechs Jahren auf drei Jahre zu verkürzen. Diese Möglichkeit besteht, wenn es dem Schuldner gelingt, innerhalb der ersten drei Jahre des Verfahrens mindestens 25% der Gläubigerforderungen und die Verfahrenskosten zu begleichen. Eine vorzeitige Restschuldbefreiung soll zudem nach fünf Jahren erlangbar sein, wenn zumindest die Verfahrenskosten beglichen werden können. Ansonsten soll es bei der derzeitigen Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs Jahren bleiben.

Mit dieser differenzierten Regelung sucht der Entwurf einen Ausgleich zwischen den Interessen des Schuldners an einer möglichst schnellen Restschuldbefreiung, die ihm eine „zweite Chance“ eröffnet, den Interessen der Gläubiger an der Realisierung der ihnen zustehenden Forderungen und den Interessen der Landesjustizverwaltungen, welche sich über die Stundungsregelung des § 4a InsO an der Finanzierung der Insolvenzverfahren beteiligt sind.

Durch die neuen Regelungen wird die Effektivität des Verfahrens gesteigert und den Folgen einer Verkürzung der Wohlverhaltensperiode Rechnung getragen.

Die Möglichkeit einer Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens soll allen natürlichen Personen offen stehen, d.h. sie wird nicht auf bestimmte Personengruppen wie Existenzgründer oder Verbraucher beschränkt."

Gemeint ist also keine generelle Verkürzung der Entschuldungsperiode, sondern die Möglichkeit, sich durch eigene finanzielle Beiträge aktiv um eine Verkürzung bemühen zu können. Das dürfte zumindest in den Fällen interssant sein, in denen noch etwas Geld aufzutreiben ist, um die Mindestbefriedigungsquote von 25% erfüllen zu können. Für den größten Anteil der  Insolvenzschuldner  dürfte das allerdings unerreichbar sein. Hier bleibt die Möglichkeite der Verkürzung um ein Jahr, wenn zumindest die Verfahrenskosten bezahlt werden. Ob dies ein wirksamer Anreiz ist, darf bezweifelt werden. Erfahrungsgemäß haben sich die meisten Betroffenen nach fünf Jahren soweit in neuen Lebensverhältnissen eingerichtet, dass eine weiteres JAhr in der Regel keinen großen Druck darstellt.

Für Schuldner, die kurz vor einem insolvenzantrag stehen, ist jetzt abzuwägen, ob es Sinn macht, auf die Umsetzung der Reform zu warten. Erfahrungsgemäß dürfte mit einer Dauer des Gesetzgebungsverfahrens von ca. 1 bis 1,5 Jahren gerechnet werden.


Insolvenzsteuerrecht | BFH: Vorsteuerberichtigungsanspruch des Finanzamts als Masseverbindlichkeit

Der Streitfall: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) hatte eine Einkaufspassage errichtet und die einzelnen Ladenlokale an verschiedene Mieter vermietet. Aus den Herstellungskosten hatte sie die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe der Quote der im Erstjahr erfolgten steuerpflichtigen Vermietung von 79 % als Vorsteuer abgezogen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GbR vermietete der Insolvenzverwalter die Ladenlokale weiter. Allerdings verminderte sich die Quote der steuerpflichtigen Vermietungsumsätze. Der Fiskus forderte den Anteil der Vorsteuer, der auf die geminderte steuerpflichtige Vermietungsquote entfiel als Vorsteuerberichtigungsbetrag im Sinne von § 15a UStG zurück und machte die Forderung durch Steuerbescheid gegenüber dem Insovlenzverwalter als Masseverbindlichkeit geltend.

Mit Urteil vom 9. Februar 2011 XI R 35/09 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Vorsteuerberichtigungsanspruch des Finanzamts nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG), der dadurch entsteht, dass der Insolvenzverwalter ein Wirtschaftsgut abweichend von den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen verwendet, zu den Masseverbindlichkeiten gehört und durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Im Falle einer Insolvenz können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen (Insolvenzforderungen) nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen und erhalten ggf. nur einen Anteil der Forderung (Insolvenzquote).

Etwas anderes gilt aber für Forderungen, die als Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse in voller Höhe vorweg zu befriedigen sind. Geht es um eine Steuerforderung des Fiskus, kommt es für die Abgrenzung darauf an, ob der Tatbestand, der die Steuerforderung auslöst, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wurde (dann Insolvenzforderung) oder erst nach Verfahrenseröffnung (dann Masseverbindlichkeit).

Letzteres hat der BFH für den Fall einer Steuerforderung des Fiskus aufgrund einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bejaht.

QUELLE: BFH Pressemitteilung vom 15.06.2011


Insolvenzrecht | Kein genereller Nachrang von Darlehen nahestehender Personen


Der BGH hat kürzlich entschieden, dass es keinen ersten Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen begründet, wenn eine nahestehende Person (§ 138 InsO) dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen gewährt (
 BGH, Urteil v. 17. 2. 2011 - IX ZR 131/10).

Forderungen auf Rückzahlung  eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, werden in der Insolvenz nachrangig befriedigt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO); wenn sie überhaupt angmeldet werden können, da die Anmeldung solcher Forderungen im Insolvenzverfahren nur dann möglich ist, wenn das Gericht dies im Eröffnungsbeschluss audrücklich zulässt, was es in der Praxi sehr selten tut. Von dieser Vorschrift werden auch Rechtshandlungen Dritter erfasst, die der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen. Regelmäßig werden in der Praxis  die Darlehnsgewährungen sog. "nahestehender Personen",  z.B.  von Ehegatten und anderen Familienangehörigen angesehen, mit der Folge, dass diese ihre Darlehensforderung im Insolvenzverfahren nicht geltend machen können, das heisst nicht zur Insolvenztabelle, der Auflistung aller berechtigten Forderungen, festgestellt werden können.   

Für eine solche  Anwendung genügt nach Ansicht des BGH aber  nicht allein die Tatsache, dass es sich bei dem Dritten um eine solche nahestehende Person (§ 138 InsO) handelt. Denn Die Vorschrift des § 138 InsO sei auf die Insolvenzanfechtung zugeschnitten und könne zur Abgrenzung von einfachen (§ 38 InsO) zu nachrangigen (§ 39 InsO) Insolvenzforderungen nicht herangezogen werden.

In dem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, waren einer insolventen Ein-Mann-GmbH & Co. KG zwei ungesicherte Darlehen gewährt worden, zum einen von der Mutter des Alleingesellschafters und zum anderen von einem Unternehmen, das von seinem Bruder beherrscht wurde. Nach der sehr differenzierten Sichtweise des BGH waren daher die Klagen  der Darlehensgeber gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung der Darlehensforderungen zur Insolvenztabelle erfolgreich.

Quelle: BGH, Urteil v. 17. 2. 2011


BFH: Insolvenzverwalter mit qualifizierten Mitarbeitern sind in der Regel nicht gewerbesteuerpflichtig

Insolvenzverwalter werden nicht automatisch gewerbesteuerpflichtig, wenn sie mehrere qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Dezember 2010 VIII R 50/09 entschieden und damit seine bisher anders lautende Rechtsprechung geändert.

Zwei zu einer Gesellschaft zusammengeschlossene Rechtsanwälte waren als Insolvenzverwalter tätig. Sie hatten dafür verschiedene qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt. Sie rechneten ihre Tätigkeit zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts und damit zur freiberuflichen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das Finanzamt ordnete die Einkünfte hingegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein und setzte Gewerbesteuermessbeträge fest: Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter führe grundsätzlich zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Würden dabei aber qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt, handele es sich um gewerbliche Einkünfte, die die Gewerbesteuerpflicht auslösten.

Der BFH gab der klagenden Gesellschaft im Ergebnis Recht.

Allerdings hielt er an seiner bisherigen Beurteilung fest, dass die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters eine vermögensverwaltende Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist.

Der BFH gab jedoch die vom Reichsfinanzhof entwickelte sogenannte Vervielfältigungstheorie auf, nach der der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter dem "Wesen des freien Berufs" widersprach und deshalb zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit und zur Gewerbesteuerpflicht führte. Der Gesetzgeber hatte sich davon bereits 1960 gelöst und in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG geregelt, dass eine freiberufliche Tätigkeit auch dann gegeben ist, wenn ein Freiberufler fachlich vorgebildete Arbeitskräfte einsetzt, sofern er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt. Für Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG hatte die bisherige Rechtsprechung hingegen an der Vervielfältigungstheorie festgehalten, so dass derartige Tätigkeiten - wie die Insolvenzverwaltung - grundsätzlich ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden mussten, um die Gewerbesteuerpflicht zu vermeiden. In diesem Punkt hat der BFH nunmehr seine Rechtsprechung geändert: Die Regelung für freie Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, nach der der Einsatz qualifizierten Personals grundsätzlich zulässig sei, gelte für die sonstige selbständige Arbeit i. S. von § 18 Abs.%

Quelle: Bundesfinanzhof Pressemitteilung Nr. 20 vom 16.03.2011


Regierungsenwurf: Erleichterungen für die Unternehmenssanierung

 

Die Unternehmenssanierung mit Hilfe des Insolvenzrechts soll verbessert werden

Das Bundeskabinett hat am 23.02.2011 einen Regierungsentwurf zur Reform des Insolvenzrechts vorgelegt. Dieser soll  zur weiteren

Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) beitragen. Dazu sind mehrere Reformvorhaben zum Insolvenzrecht im Regierungsentwurf zusammengefasst.

Im Wesentlichen geht es um folgende teilweise sehr interessante Regelungen:

  • Gläubigerausschuss:

Es wird die Möglichkeit geben, schon im Insolvenz-Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen. Dieser hat  bei bestimmten Unternehmen Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung. Das Institut der Eigenverwaltung wird zur Regel, statt wie bisher zur Ausnahme erhoben. Befürwortet der Gläubigerausschuss die Eigenverwaltung einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein. Vorgaben des Ausschusses zur Person des Verwalters sollen für den Richter unter bestimmten Umständen bindend sein.

  • Sog. neues „Schutzschirmverfahren“:

Ein Schuldner soll  zukünftig bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten unter  einer Art „Schutzschirm“ unter der Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan zu erarbeiten. Dieser Sanierungsplan kann  dann anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden. Das Gericht soll weiterhin nicht nur als Regel den vom Schuldner Vorgeschlagenen als vorläufigen Sachwalter einsetzen, auf Antrag ist das Gericht dazu auch verpflichtet, Zwangsvollstreckungen gegen den Schuldner zu untersagen oder einstweilen einzustellen. Zudem darf es im Schutzschirmverfahren weder einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen noch dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entziehen.

  • Insolvenzplanverfahren:

Der Entwurf des Bundeskabinetts will die Rechtsmittel gegen die Bestätigung des Insovlenzplans moderat beschränken, damit einzelne Gläubiger nicht mehr in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern können. Im Rahmen des Planverfahrens können künftig als bewährtes Sanierungsinstrument auch Forderungen von Gläubigern in Beteiligungskapital umgewandelt werden („dept-equity-swap).

  • Vollstreckungsschutz:

Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden und erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, können die  Finanzplanung der Durchführung des Insolvenzplans nachträglich stören, Deshalb soll der Schuldner künftig die Möglichkeit haben, bei Vollstreckungsversuchen nach der Verfahrensaufhebung Vollstreckungsschutz durch das Insolvenzgericht zu erhalten, wenn er nachweist, dass die geltend gemachte Forderung die Durchführung des Insolvenzplans gefährdet.

  • Verjährungsfristen:

Ansprüche, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind und mit denen deshalb nicht zu rechnen war, sollen künftig in einem Jahr verjähren.


Bundesministerium der Finanzen: Die Bundesregierung wird gegen den Beschluss der EU-Kommission vom 26. Januar 2011 betreffend die Sanierungsklausel des § 8c Absatz 1a KStG Klage erheben

Über die Entwicklung der sog. "Sanierungsklausel" des § 8c KStG hatten wir hier schon mehrfach berichtet und deren Inhalt erklärt. . Zuletzt hatte die EU-Kommision diese Regelung mit Beschluss vom 26.01.2011 für europarechtswidrig erklärt. Dagegegen will das Bundesfinanzministerium jetzt vorgehen. Hier die Pressemitteilung des BMF vom 09.03.2011 im Wortlaut:

"Die Europäische Kommission hat am 26. Januar 2011 entschieden, dass die sog. Sanierungsklausel des § 8c Absatz 1a KStG eine mit dem Binnenmarkt [Glossar] nicht zu vereinbarende rechtswidrige Beihilferegelung im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellt. Nach Auffassung der Europäischen Kommission begünstigt die Sanierungsklausel selektiv  „Unternehmen in Schwierigkeiten“.

Mit dem Bürgerentlastungsgesetz ist die Sanierungsklausel im Juli 2009 befristet eingeführt und im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes in eine unbefristete Maßnahme umgewandelt worden. Die Sanierungsklausel erlaubt Unternehmen, Verluste trotz Anteilseignerwechsel weiter zu nutzen und die Steuerlast in künftigen Jahren zu verringern, wenn der Anteilseignerwechsel zum Zwecke der Sanierung erfolgt.

Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich bei der Sanierungsklausel nicht um eine selektive staatliche Beihilferegelung im Sinne des Artikel 107 Absatz 1 AEUV. Sie wird deswegen gegen diese Entscheidung der Kommission eine Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union erheben.

Eine solche Klage hat aber keine aufschiebende Wirkung. Die Umsetzung des Beschlusses der Europäischen Kommission ist unionsrechtlich zwingend vorgegeben, insbesondere müssen gewährte Steuervorteile innerhalb der vorgegebenen Frist von 4 Monaten zurückgefordert und die gesetzlicheVorschrift aufgehoben werden. Ein entsprechendes BMF-Schreiben zur Umsetzung des Kommissionsbeschlusses wurde daher an die Obersten Finanzbehörden der Länder gesandt.

Sollte die Bundesregierung mit ihrer Klage obsiegen, könnte die Sanierungsklausel des § 8c Absatz 1a KStG für die Veranlagungszeiträume 2008, 2009 und 2010 wieder Anwendung finden.

Nach der Entscheidung der Europäischen Kommission können nur in Ausnahmefällen auf der Grundlage der Sanierungsklausel gewährte „Einzelbeihilfen“ mit dem Binnenmarkt vereinbar und damit von der Rückforderung ausgenommen sein, soweit der Steuervorteil 500.000 Euro [Glossar] nicht überschreitet, das begünstigte Unternehmen zum 1. Juli 2008 kein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ war und alle anderen einschlägigen Voraussetzungen des Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der einschlägigen Umsetzungsregelungen erfüllt sind.“

Quelle: Bundesministerium der Finanzen: Die Bundesregierung wird gegen den Beschluss der EU-Kommission vom 26. Januar 2011 betreffend die Sanierungsklausel des § 8c Absatz 1a KStG Klage erheben.


Sanierungsklausel § 8c KStG ist nicht mit EU-Beihilferegeln vereinbar!

Sanierungsklauseln verstoßen gegen EU-RechtEs drohen jetzt Rückforderungen von Steuervergünstigungen seit dem 1.1.2008!

Worum geht es?

Die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG ermöglicht es Unternehmen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, Verluste auch dann zu verwerten, wenn die Anteilseigner, also Eigentümer des Unternehmens wechseln.  Der Anteilsverkauf an zahlungskräftige neue Anteilseigner stellt ein geeignetes Sanierungsinstrument dar, um Unternehmen, die sich in wirtschaftlicher Schieflage befinden und auf die Zufuhr neuen liquiden Kapitals angewiesen sind, zu retten. Nach o.g. Regelung des Körperschaftsteuerrechts konnten trotz Eigentümerwechsels diese Unternehmen ihre Verlustvorträge aus schlechten Zeiten mit Gewinnen aus besseren Zeiten nach der Sanierung verrechnen. Die Sanierungsklausel wurde im Juli 2009 verabschiedet mit einer rückwirkenden Anwendung ab dem 1.1.2008. Dies war eine Reaktion auf die globale Wirtschaftskrise.

Nach Ansicht der EU-Kommission stellt diese Steuer-Vorschrift eine staatliche Beihilfe dar, die nicht mit den EU-Beihilferegeln vereinbar ist (EU-Kommission Pressemitteilung vom 26.01.2011, IP/11/65). Da die EU-Kommission bereits im Februar 2010 ein Prüfverfahren eröffnet hatte, wies das Bundesfinanzministerium (BMF) bereits mit Schreiben vom 30.04.2010 die Finanzämter an, diese Sanierungsklausel nicht mehr anzuwenden.

Die EU-Kommission begründet ihre Auffassung damit, dass die Sanierungsklausel in Deutschland von den allgemeinen Prinzipien des Unternehmenssteuerrechts in Deutschland und der EU abweicht und somit eine unzulässige Beihilfe darstellt. Hintergrund ist, dass die EU grundsätzlich sehr streng darüber wacht, ob ein Land "seine" Wirtschaft besonders fördert und damit Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu anderen Ländern einrichtet. Die Kommission ist der Auffassung, dass diese Regelung den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verzehrt.

Wie häufig im Steuerrecht ist die jetzige Auffassung aber nicht den guten Wirkungen einer solchen Regelungen geprägt-Sanierung, Erhalt von Arbeitsplätzen, Sicherung von nachhaltigem Steueraufkommen -  sondern eher vom Missbrauchsgedanken: Die Kommission fürchtet, dass gesunde Unternehmen andere marode Unternehmen aufkaufen, um damit durch deren Verlustvorträge ihre eigene Steuerbelastung zu senken.

Was folgt daraus?

ACHTUNG: Die EU-Kommission hat Deutschland angewiesen, alle Steuervergünstigungen, die unter dieser Regelung seit dem 1.1.2008 an Unternehmen gewährt wurden, zurückzufordern. Deutschland hat zwei Monate Zeit, um der Kommission eine Liste der betroffenen, d.h. "begünstigten" Unternehmen zu übermitteln und sie zu informieren, welcher Gesamtbetrag zurückgefordert werden kann. Wer von dieser R3gelung profitiert hat, muss also mit Steuernachzahlungen rechnen.   

FAZIT:

Unternehmenssanierung in Deutschland wir noch einmal erschwert. Neben den Änderungen der Insolvenzordnung, die ab 1.1.2011 dem Staat ein neues Vorrecht für Steuerforderungen eingeräumt haben und damit die eigentlich einmal gewollten Sanierungschancen im Insolvenzverfahren radikal verschlechtert haben, werden auch steuerliche Begünstigungen für Unternehmenssanierungen außerhalb des Insolvenzverfahrens durch das Wettbewerbsrecht der EU kassiert. Die Zeche zahlen im Regelfall ungesicherte Gläubiger - wie andere Unternehmer, z.B. Lieferanten,  und die Arbeitnehmer.


Ein gutes Steuer-Jahr 2011 ...

... wünschen wir allen, die uns im letzten Jahr hier besucht haben und natürlich allen, die irgendwie mit Steuern zu tun haben - also allen!

Vielen Dank für die Besuche und Kommentare auf diesem Blog. Wir werden auch in 2011 unser  Informationsniveau und den Austausch mit den Usern noch weiter verbessern und damit unser Kerngebiet, das Insolvenzsteuerrecht, weiter ausbauen.

Zu einem guten Steuer-Jahr gehört natürlich auch die kritische Begleitung von Reformen und Reförmchen. Wir sind gespannt, was da so alles auf uns zukommen wird.


BFH: Finanzamt kann Insolvenzforderung gegen Umsatzsteuervergütungsanspruch aus vom Verwalter freigegebener unternehmerischer Tätigkeit des Insolvenzschuldners aufrechnen

"Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 entschieden, dass das Finanzamt (FA) einen Anspruch eines Insolvenzschuldners auf Vergütung von Umsatzsteuer mit zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen verrechnen darf, wenn der Insolvenzschuldner den Vergütungsanspruch durch Fortführung seines Unternehmens während des Insolvenzverfahrens erworben und der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hatte. Vom Schuldner während des Insolvenzverfahrens erworbenes Vermögen gehört zwar grundsätzlich zur Insolvenzmasse und dient damit der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger (§ 35 der Insolvenzordnung -InsO-). Allerdings hat der Insolvenzverwalter bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners zu erklären, ob auch hieraus herrührendes Vermögen zur Insolvenzmasse gehören soll und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren sollen geltend gemacht werden können. Gibt er dem Schuldner gegenüber die Erklärung ab, dass er die Aktiva und Passiva aus dem Insolvenzbeschlag freigibt, hat dies nach der Entscheidung des BFH zur Folge, dass das FA einen durch die Tätigkeit ggf. begründeten Umsatzsteuervergütungsanspruch gegen Steuerforderungen verrechnen kann, die in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und unbefriedigt geblieben sind. Denn das Aufrechnungsverbot, das eine Verrechnung gegen Ansprüche, die ein Gläubiger während des Verfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, verbietet (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO), greife nicht ein; ebenso wenig sei der InsO ein ungeschriebenes allgemeines Verbot zu entnehmen, mit Insolvenzforderungen gegen Ansprüche des Schuldners aufzurechnen, die nicht in die Insolvenzmasse fallen. Die InsO weise also den Insolvenzgläubigern nicht etwa ausschließlich die Insolvenzmasse als Haftungssubstrat zu. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der in Insolvenz geratene Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und der Insolvenzverwalter den betreffenden Betrieb aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hatte. Da der Schuldner Lieferungen und Leistungen erbrachte, für welche nicht er, sondern gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes die Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldeten, entstanden erhebliche Überhänge an Vorsteuerbeträgen und damit Steuervergütungsansprüche. Gegen diese rechnete das FA mit seinen Forderungen aus vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandener Umsatzsteuer auf, so dass der Anspruch des Klägers erloschen war. Den hierüber erlassenen Abrechnungsbescheid hielt das Finanzgericht für rechtmäßig; dessen Urteil hat der BFH jetzt bestätigt."

Kommentar: Für Schuldner, die versuchen während des laufenden Isnolvenzverfahrens eine neue wirtschaftliche Existenz aufzubauen, hat dies erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen  immer dann, wenn Vorsteuer-Überhänge entstehen, die dann vom Finanzamt nicht ausgezahlt, sondern verrechnet werden. Im Ergebnis wird die Vorsteuer damit zu einem "Kostenfaktor" und muss im Rahmen der Unternehmensplanung nach Verfahrenseröffnung berücksichtigt werden. Der sinnvollste Weg  dürfte es wohl sein, durch entsprechende Gestaltungen der selbständigen Tätigkeit nach der Verfahrenseröffnung dieser teuren Konsequenz aus dem Weg zu gehen.


Verfassungsrechtliche Zweifel an der sog. Mindestbesteuerung

Pressemitteilung des BFH zum Beschluss vom 26.08.10   I B 49/10:

 "Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 26. August 2010 I B 49/10 in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass die sog. Mindestbesteuerung in bestimmten Situationen zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Besteuerung führen kann.

Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen zwar bis zur Höhe von 1 Mio. Euro unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, ein übersteigender Verlustbetrag aber nur bis zu 60% des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei einem bestehenden Verlustvortrag in Höhe von z.B. 3 Mio. Euro und einem zu versteuernden Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von z.B. 2 Mio. Euro bedeutet das: Es können lediglich 1,6 Mio. Euro der Verluste ausgeglichen werden, während für 400 000 Euro Steuern anfallen. Die verbleibenden Verluste können erst in den Folgejahren abgezogen werden.

 Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen „Streckung“ des Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Das gilt aber nur solange, wie ein Abzug der verbleibenden Verluste in den Folgejahren prinzipiell möglich ist. Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der Verlustnutzungsmöglichkeit kommt. Diesen Bedenken hat sich der BFH nun angeschlossen."

Das konkrete Verfahren betraf eine GmbH, die hohe Verluste erwirtschaftet und diese wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. In der Folgezeit kam es zu einer Umstrukturierung und einem Gesellschafterwechsel, der dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte Verlustvortrag nach § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Gänze verloren ging. Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung, soweit sie für einen derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge trifft. Er erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen bleibt, ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft.

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