FG Rheinland-Pfalz | Betriebsprüfung | "Chi-Test" allein kein Grund, Buchführung zu beanstanden

Das FG Rheinland-Pfalz musste entscheiden , ob Auffälligkeiten bei dem sogenannten "Chi--Quadrat-Test" zur Beanstandung der Buchführung und damit zur Schätzung eines höheren Umsatzes/Gewinns berechtigen, wenn sonst keine weiteren Mängel der Buchführung gegeben sind (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 24.8.2011 - 2 K 1277/10).

Hintergrund: Mit dem sog. „Chi.Quadrat-Test“ werden Verteilungseigenschaften einer statistischen Grundgesamtheit untersucht. Er stellt eine Methode dar, bei der empirisch festgestellte und theoretisch erwartete Häufigkeiten verglichen werden und fußt auf dem Grundgedanken, dass derjenige, der bei seinen Einnahmen unzutreffende Werte in das Kassenbuch/die Kassenberichte eingibt, unbewusst eine Vorliebe für gewisse Lieblingszahlen hat und diese entsprechend häufiger verwendet.
Statistisch müsste bei einer ausreichend großen Datenmenge aber jede Ziffer mit der gleichen Häufigkeit auftauchen.
Der Streitfall: Im Friseursalon der Klägerin fand für 2005 bis 2007 eine steuerliche Außenprüfung statt. Der Prüfer, dass die Kassenbücher in Form von Excel-Tabellen geführt worden seien. Die gesetzlich geforderte Unveränderbarkeit der Kassenbucheintragungen sei damit nicht gewährleistet, weil die Eintragungen verändert werden könnten, ohne dass dies in Excel dokumentiert würde. Die Klägerin habe nicht darlegen und dokumentieren können, dass das betreffende Kassenprogramm Manipulationen und nachträgliche Änderungen nicht zulasse. Die im Rahmen der Prüfung durch eine elektronische Auswertung der KAssendaten erstellte Strukturanalyse und der darin enthaltene „Chi-Test“ hätten eine 100%-ige Manipulationswahrscheinlichkeit ergeben. Der Prüfer / das Finanzamt erhöhten die erklärten Umsäte im Rahmen einer Hinzuschätzung um jährlich 3.000.- €, was auch entsprechende Gewinnerhöhungen zur Folge hatte. Mit der Klage machte die Klägerin geltend, der Prüfer habe keine Beweise für eine Manipulation gefunden. Eine von ihm durchgeführte und später nicht mehr erwähnte Kalkulation habe sogar unter den erklärten Betriebsergebnissen gelegen. Mit dieser Klage war sie jetzt erfolgreich.

Die Meinung des Finnazgerichtes hierzu: "Das Finanzamt hat im Streitfall nicht dem ihm obliegenden Nachweis erbracht, dass das eingesetzte Kassenprogramm Manipulationen ermöglicht. Entgegen der Ansicht des Prüfers ist es nämlich nicht Sache des Steuerpflichtigen, „darzulegen bzw. zu dokumentieren“, dass das betreffende Kassenprogramm Manipulationen und Änderungen nicht zulässt. Der Nachweis einer Manipulationsmöglichkeit obliegt vielmehr dem Finanzamt. Die vom Finanzamt behauptete „Manipulationswahrscheinlichkeit von 100%“ auf Grund des vom Prüfer durchgeführten „Chi-Quadrat-Test“ kann nicht zu einer Zuschätzungsbefugnis führen. Der Test allein ist jedenfalls nicht geeignet, Beweise dafür zu erbringen, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist, abgesehen davon, dass er bei einem Friseursalon, bei dem – wie hier – für die Leistungen ausschließlich volle bzw. halbe Euro-Beträge berechnet werden, ungeeignet erscheint. Ausgehend von der Preisliste des Friseursalons ergibt sich, dass naturgemäß die Zahl 0 wie auch die Zahlen 1, 4, 5 überdimensional häufig auftreten müssen (z.B Föhnfrisur: 15.- €; Färben: 25.- € bzw. 46,50 €; Föhnen 40,50 €)."

Anmerkung: Das Urteil ist rechtskräftig geworden.

FG: Urteil zum Chi-Test

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung v. 2.11.2011


Endlich einmal wieder eine der raren Entscheidungen zur elektronischen Betriebsprüfung, insbesondere zur Zuverlässigkeit und zum Umfang der Aussagekraft der eingesetzten statischen Prüfverfahren. Das Finanzamt vermiedet es in der Regel, diese Verfahren gerichtlich überprüfen zu lassen, wohl aus gutem Grunde, wie der vorliegende Fall zeigt. Selbst in Fällen , in denen durch Finanzgerichte Revisionen zugelassen werden, um die grundsätzliche Bedeutung der statistischen Prüfungsverfahren durch den BFH prüfen zu lassen, schreckt die Finanzverwaltung vor der Einlegung der Revision zurück. Das war beim schon Urteil des FG Köln zum Zeitreihenvergleich so (FG Köln v. 27.01.2009 - 6 K 3954/07), und auch im vorliegenden Fall wurde ttotz der Zulassung keine Revision durch das Finanzamt eingelegt.


BMF | Lohnsteuer | "Elektronische Lohnsteuerkarte" mit neuem Starttermin

Die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte wird sich auf Grund von Verzögerungen bei der technischen Erprobung des Abrufverfahrens verschieben. Derzeit stimmen Bund und Länder einen neuen Termin und die weitere Vorgehensweise für den Start ab. Nach Angaben des BMF werden dadurch keine nachteiligen Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger erwartet. Die zurzeit laufenden Korrekturarbeiten, besonders soweit Informationsschreiben an die Bürgerinnen und Bürger über die „elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale“ (ELStAM) versandt worden sind, sind davon nicht berührt und werden weiterhin durchgeführt.

Quelle: BMF online


BMJ | Gesetzgebung | Bundestag beschließt ESUG

ESUG - Reform des Insolvenzrechts
Sanierungen sollen erleichtert werden

Am 27.10.2011 hat der Bundestag das "Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)" beschlossen.

Hierzu teilte das Bundesministerium der Justiz mit: "Mit dem Gesetz werden Unternehmenssanierungen einfacher und effektiver. Zu den wichtigsten Regelungen des Gesetzes gehören neben der Stärkung der Gläubigerstellung bei der Insolvenzverwalterauswahl auch der Ausbau und die Straffung des Insolvenzplanverfahrens sowie die Vereinfachung des Zugangs zur Eigenverwaltung.

Künftig wird bereits im Eröffnungsverfahren die Möglichkeit bestehen, einen vorläufigen Gläubigerausschuss einzusetzen, der bei bestimmten Unternehmen ein wichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung hat. Durch eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses wird das Gericht gezwungen, sich ernsthafter als bisher mit den Möglichkeiten der Eigenverwaltung auseinanderzusetzen. Befürwortet der Gläubigerausschuss sie einhellig, soll das Gericht daran gebunden sein. Auch bei der Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters wird der vorläufige Gläubigerausschuss eingebunden.

Durch Einführung eines „Schutzschirmverfahrens“ wird ein Schuldner künftig bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters und frei von Vollstreckungsmaßnahmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Durch den Ausbau des Insolvenzplanverfahrens können künftig als Sanierungsinstrument auch Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden ("dept-equity-swap"). "

Näheres zu den wesnetlichen Inhalten lesen Sie demnächst hier.

Quelle: BMJ online


Sanierungssteuerrecht | FG Münster: Verstößt Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG tatsächlich gegen Gemeinschaftsrecht?

 

FG Münster

Der 9. Senat des Finanzgerichts Münster hat erhebliche Zweifel, ob die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG tatsächlich – wie die Europäische Kommission festgestellt hat – als unzulässige Beihilfe anzusehen ist (Beschluss vom 1. August 2011, 9 V 357/11 K, G). Das Finanzgericht hat daher im Streitfall die Vollziehung von Steuerbescheiden ausgesetzt, in denen das Finanzamt unter Hinweis auf § 8c Abs. 1 KStG Verluste nicht mehr berücksichtigt hatte, obwohl unstreitig die Voraussetzungen der Sanierungsklausel erfüllt waren.

 Zum Hintergrund: Körperschaften – wie z.B. im Streitfall eine GmbH – können grundsätzlich nicht genutzte Verluste aus Vorjahren mit Gewinnen verrechnen. Werden jedoch Gesellschaftsanteile übertragen, d.h. kommt es zu einem Gesellschafterwechsel, so verbietet § 8c Abs. 1 KStG in bestimmten Fällen ganz oder teilweise den Abzug früherer Verluste. Diese Beschränkung des Verlustabzugs gilt allerdings gem. § 8c Abs. 1a KStG nicht, wenn der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs erfolgt. Daher ist die Verlustnutzung in Sanierungsfällen unter bestimmten Voraussetzungen trotz einer „schädlichen“ Anteilsübertragung im Sinne des § 8c Abs. 1 KStG möglich.

Die Europäische Kommission sieht allerdings in § 8c Abs. 1a KStG eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe. Aufgrund einer entsprechenden Entscheidung der Kommission vom 26. Januar 2011 dürfen deutsche Finanzämter die Sanierungsklausel grundsätzlich nicht mehr anwenden – trotz der seitens der Bundesregierung insoweit beim Gericht der Europäischen Union erhobenen Nichtigkeitsklage. 

Im Streitfall hatte die Entscheidung der Europäischen Kommission zur Folge, dass das Finanzamt zunächst bei der Antragstellerin wegen der Geltung der Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG berücksichtigte Verluste nicht mehr anerkannt hat. Die Antragstellerin sieht sich daher Steuerforderungen gegenüber, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden. Sie beantragte deshalb, die Vollziehung der Steuerbescheide trotz der Entscheidung der Europäischen Kommission auszusetzen. 

Der 9. Senat des Finanzgerichts Münster hat dem Antrag mit Blick auf den ansonsten für die Antragstellerin drohenden schweren, nicht wiedergutzumachenden Schaden entsprochen und seine Entscheidung mit ernstlichen Zweifeln an der Auffassung der Europäischen Kommission begründet. Nicht nur das Gericht der Europäischen Union, sondern auch die nationalen Gerichte seien in einem solchen Fall zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes befugt. Es sei fraglich, ob die (den Verlustabzug erhaltende) Sanierungsklausel eine begünstigende Ausnahme vom „Normalfall“ der Besteuerung enthalte. Denn zweifelhaft sei, ob als „Normalfall“ der grundsätzlich zugelassene Verlustabzug oder die Abzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 KStG angesehen werden müsse. Zudem gelte die Sanierungsklausel für jedes Unternehmen, das sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde, ohne dass eine Bevorzugung bestimmter Branchen oder Unternehmen ersichtlich sei. 

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass eine Aussetzung der Vollziehung – ungeachtet der Frage der Gemeinschaftswidrigkeit der Sanierungsklausel – auch deshalb geboten sei, weil das Verlustabzugsverbot des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG möglicherweise gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstoße und verfassungswidrig sei. Entsprechende Bedenken ergäben sich jedenfalls mit Blick auf den Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 4. April 2011 (2 K 33/10), mit dem die Frage der Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG dem Bundesverfassungsgericht (2 BvL 6/11) vorgelegt worden sei. Auch bestehe ein besonders gewichtiges Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung, weil ihr andernfalls irreparable Nachteile drohten. Der 9. Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: Finanzgericht Münster, Pressemitteilung Nr. 11 vom 15.08.2011

 


kurioses Finanzgerichtsverfahren: "Der schlafende Richter" (BFH)

Der BFH hat durch ein aktuelles Urteil festgestellt, dass ein Richter dem Vortrag während der mündlichen Verhandlung auch mit (vorübergehend) geschlossenen Augen und geneigtem Kopf folgen kann (BFH, Beschluss v. 17.2.2011 - IV B 108/09, NV; veröffentlicht am 13.4.2011).

Grundsätzlich ist ein Gericht dann nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn ein Richter während der mündlichen Verhandlung schläft und deshalb wesentlichen Vorgängen nicht folgt (vgl. z.B. BFH, Urteil v. 4.8.1967 - VI R 198/66). Aber Schalfen ist nicht gleich Schlafen. Das hat der BFh im jetzigen Fall entschieden:
Hierzu führt der BFH weiter aus: Dass der Richter schläft und demnach der Verhandlung nicht folgen kann, "kann im Allgemeinen erst dann angenommen werden, wenn sichere Anzeichen für das Schlafen wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder eindeutige Anzeichen von fehlender Orientierung gerügt werden. Denn ein Richter kann dem Vortrag während der mündlichen Verhandlung auch mit (vorübergehend) geschlossenen Augen und geneigtem Kopf folgen. Deshalb muss derjenige, der sich darauf beruft, ein Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung ausschließen. Derartige sichere Anzeichen ergeben sich im Streitfall aus dem Vorbringen der Kläger nicht. Ihr Vorbringen beschränkt sich im Wesentlichen darauf, der ehrenamtliche Richter habe während der mündlichen Verhandlung von 13:00 Uhr bis 13:04 Uhr die Augen bei zur Seite geneigtem Kopf geschlossen gehalten und teilnahmslos gewirkt; er sei dann plötzlich wieder erwacht. Der betroffene ehrenamtliche Richter hat dazu in seiner dienstlichen Äußerung erklärt, mit Sicherheit behaupten zu können, nicht geschlafen zu haben, allerdings schließe er manchmal kurz die Augen, wenn er eine Sache überdenke; der Prozessbevollmächtigte habe so viele Argumente gegen den Sachverständigen abgeschossen, dass er einmal gründlich über die Sache habe nachdenken müssen. Diese Darstellung lässt sich mit den von den Klägern angeführten Beobachtungen vereinbaren. Dem entspricht es, dass während der mündlichen Verhandlung weder der Prozessbevollmächtigte der Kläger noch der Vertreter des Finanzamts einen Anlass gesehen haben, den Vorsitzenden auf den (angeblich) schlafenden ehrenamtlichen Richter hinzuweisen. Die Kläger haben ihre Einwände vielmehr erst zwei Tage nach der mündlichen Verhandlung (und der Urteilsverkündung) erhoben."

Quelle: NWB online


BFH: Insolvenzverwalter mit qualifizierten Mitarbeitern sind in der Regel nicht gewerbesteuerpflichtig

Insolvenzverwalter werden nicht automatisch gewerbesteuerpflichtig, wenn sie mehrere qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Dezember 2010 VIII R 50/09 entschieden und damit seine bisher anders lautende Rechtsprechung geändert.

Zwei zu einer Gesellschaft zusammengeschlossene Rechtsanwälte waren als Insolvenzverwalter tätig. Sie hatten dafür verschiedene qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt. Sie rechneten ihre Tätigkeit zur Berufstätigkeit eines Rechtsanwalts und damit zur freiberuflichen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das Finanzamt ordnete die Einkünfte hingegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein und setzte Gewerbesteuermessbeträge fest: Die Tätigkeit als Insolvenzverwalter führe grundsätzlich zu Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Würden dabei aber qualifizierte Mitarbeiter eingesetzt, handele es sich um gewerbliche Einkünfte, die die Gewerbesteuerpflicht auslösten.

Der BFH gab der klagenden Gesellschaft im Ergebnis Recht.

Allerdings hielt er an seiner bisherigen Beurteilung fest, dass die Tätigkeit eines Insolvenz-, Zwangs- und Vergleichsverwalters eine vermögensverwaltende Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG und keine freiberufliche Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist.

Der BFH gab jedoch die vom Reichsfinanzhof entwickelte sogenannte Vervielfältigungstheorie auf, nach der der Einsatz qualifizierter Mitarbeiter dem "Wesen des freien Berufs" widersprach und deshalb zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit und zur Gewerbesteuerpflicht führte. Der Gesetzgeber hatte sich davon bereits 1960 gelöst und in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG geregelt, dass eine freiberufliche Tätigkeit auch dann gegeben ist, wenn ein Freiberufler fachlich vorgebildete Arbeitskräfte einsetzt, sofern er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig bleibt. Für Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG hatte die bisherige Rechtsprechung hingegen an der Vervielfältigungstheorie festgehalten, so dass derartige Tätigkeiten - wie die Insolvenzverwaltung - grundsätzlich ohne die Mithilfe fachlich vorgebildeter Hilfskräfte ausgeübt werden mussten, um die Gewerbesteuerpflicht zu vermeiden. In diesem Punkt hat der BFH nunmehr seine Rechtsprechung geändert: Die Regelung für freie Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, nach der der Einsatz qualifizierten Personals grundsätzlich zulässig sei, gelte für die sonstige selbständige Arbeit i. S. von § 18 Abs.%

Quelle: Bundesfinanzhof Pressemitteilung Nr. 20 vom 16.03.2011


Bundeshaushalt 2011: Zinsen, Sozialtransfers und wenig Geld für Bildung

Das Bundesfinanzministerium hat zum Entwurf des Bundeshaushaltes 2011 einige Infografiken zur Verfügung gestellt, die fernab aller Details einen guten Überblick ermöglichen. Hier die wesentlichen Daten:

Interessant ist die Ausgabenstruktur des Bundes: Wir verwenden mehr als 12% aller Ausgaben für Zinsen! Unternehmen und Privathaushalte wären bei dieser Zinslast insolvenzbedroht, zumal sich das Thema "Tilgungen" unter "Sonstiges" finden dürfte.

Ausgabenstruktur Bundeshaushalt 2011
Mehr als 12% aller Ausgaben werden für Zinsen aufgewandt

 Noch mehr bewegt mich aber die Frage, was eigentlich von einer Gesellschaft zu halten ist, die 54% ihrer Einnahmen = 173 Mrd. EURO dafür aufwenden muss, diejenigen zu unterstützen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Warum sind die vielen Menschen, die sich hinter diesen Transfers als Einzelschicksale verbergen, nicht dazu in der Lage? Wir suchen Facharbeiter händeringend. Wir suchen qualifiziertes Personal in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft. Wir leisten es uns, statt qualifizierender Bildung mehr als die Hälfte unserer Mittel für die Unterstützung derjenigen aufzubringen, die offenbar nicht ausreichend qualifiziert sind, um diese Lücken zu füllen. Aktuell investieren wir 3% in Forschung und Bildung. Wir streiten um jede weitere Milliarde, die in Bildung investiert werden soll.  Wir schaffen in unserem einzigartigen dualen Bildungssystem zu wenige Ausbildungsplätze, weil die schulische Vorbildung dafür nicht mehr ausreicht. Wir entwerten Hochbildung im Studium durch Schmalspurstudien á la Bachelor und produzieren die "Generation Praktikum". Wir verschenken damit Alleinstellungsmerkmale zugunsten des Mittelmaßes. Mit jedem Tag, an dem wir dies  tun, erhöhen wir die Zahl derer, die jetzt und zukünftig auf Transfers angewiesen sind. Wir verringern unsere Spielräume für zukunftsträchtige Investitionen. Jedem Unternehmen würden bei dieser mangelhaften strategischen Ausrichtung die Kredite gekündigt. Wann fangen wir endlich an, langfristig zu denken und unser Geld zukunftsträchtig zu verwenden? Dafür wären etliche Milliarden besser ausgegeben.


Neuregelung der strafbefreienden Selbstanzeige

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz) vorgelegt. Die erste Lesung im Bundestag ist am 16.12.2010 erfolgt.  

Die Regelungen zur Selbstanzeige (§ 371 AO) sollen darin "den aktuellen Bedürfnissen angepasst"  und so gestaltet werden, dass sie "zielgenauer" wirken. Anders als teilweise gefordert, verzichtet der Entwurf auf einen fünfprozentigen Strafzins für reuige Sünder. Des Weiteren enthält er eine Übergangsregelung, so dass bereits erstattete Selbstanzeigen, die (nur) Teilselbstanzeigen , also nach neuer LEsart unvollständig waren, Status der Straffreiheit insoweit erhalten bleibt:

Die Wesentlichen Änderungsvorschläge nach dem Gesetzentwurf sind:  

1. Bei einer Selbstanzeige tritt nur dann Straffreiheit ein, wenn die Besteuerungsgrundlagen aller in Frage kommenden Steuerarten, nunmehr zutreffend nacherklärt werden. Das bedeutet, aus sämtlichen strafrechtlich bisher noch nicht verjährten Besteuerungszeiträumen müssen die unterlassenen oder unvollständigen Angaben vollständig nachgeholt beziehungsweise sämtliche Unrichtigkeiten vollumfänglich berichtigt werden.

2. Für den Ausschluss der Straffreiheit soll künftig bereits die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung genügen . Bisher war hierfür das Erscheinen des Prüfers der maßgebliche Zeitpunkt. Mit dieser zeitlichen Vorverlegung des Ausschlussgrundes wird der gesetzliche Regelfall des „Erscheinens" zur Ausnahme. Nach Erhalt der Prüfungsanordnung wäre somit eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich.

3. Die Straffreiheit kann nicht erlangt werden, wenn von den bisher verschwiegenen Besteuerungsgrundlagen bewusst nur ausgewählte Sachverhalte nacherklärt werden, z.B. weil nur genau deren Aufdeckung unmittelbar befürchtet wird. Alle Besteuerungsgrundlagen müssten demnach zutreffend nacherklärt werden . Ein Taktieren mit einer bloß teilweisen Offenbarung (bewusste Teilselbstanzeige) soll damit ausgeschlossen sein. Nur wer sich für eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit entscheidet, könne sich der Straffreiheit sicher sein. Unbewusste Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten sollen jedoch nicht zum Ausschluss der Straffreiheit führen.

4. Mit einer Übergangsregelung  soll das Vertrauen der Steuerpflichtigen, die bereits vor Verkündung des neuen Gesetzes eine Teilselbstanzeige erstattet haben, berücksichtigt werden. Das heisst: Für bereits erstattete Selbstanzeigen, die tatsächlich (nur) Teilselbstanzeigen waren, soll daher der bei Abgabe der Selbstanzeige bestehende Status der Straffreiheit insoweit erhalten bleiben. Die nach dem Tag der Verkündung des Gesetzes erstattete (weitere) Selbstanzeige sollen als erstmalige Selbstanzeige gewertet werden. Die Straffreiheit soll dabei nur eintreten, wenn zu diesem Zeitpunkt alle bis dahin noch nicht offenbarten steuerlich erheblichen Sachverhalte der unverjährten Vergangenheit in vollem Umfang erklärt, berichtigt oder ergänzt werden.

QUELLE: NWB Reform-Radar


Verfassungsrechtliche Zweifel an der sog. Mindestbesteuerung

Pressemitteilung des BFH zum Beschluss vom 26.08.10   I B 49/10:

 "Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 26. August 2010 I B 49/10 in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass die sog. Mindestbesteuerung in bestimmten Situationen zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Besteuerung führen kann.

Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen zwar bis zur Höhe von 1 Mio. Euro unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, ein übersteigender Verlustbetrag aber nur bis zu 60% des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei einem bestehenden Verlustvortrag in Höhe von z.B. 3 Mio. Euro und einem zu versteuernden Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von z.B. 2 Mio. Euro bedeutet das: Es können lediglich 1,6 Mio. Euro der Verluste ausgeglichen werden, während für 400 000 Euro Steuern anfallen. Die verbleibenden Verluste können erst in den Folgejahren abgezogen werden.

 Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen „Streckung“ des Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Das gilt aber nur solange, wie ein Abzug der verbleibenden Verluste in den Folgejahren prinzipiell möglich ist. Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der Verlustnutzungsmöglichkeit kommt. Diesen Bedenken hat sich der BFH nun angeschlossen."

Das konkrete Verfahren betraf eine GmbH, die hohe Verluste erwirtschaftet und diese wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. In der Folgezeit kam es zu einer Umstrukturierung und einem Gesellschafterwechsel, der dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte Verlustvortrag nach § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Gänze verloren ging. Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung, soweit sie für einen derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge trifft. Er erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen bleibt, ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft.

Bundesfinanzhof
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Ist das Fiskusprivileg vom Tisch?

BEFELDT Steuerberater Lippstadt Fiskusvorrecht Insovlenzverfahren
Doch kein Fiskusvorrecht im Insolvenzverfahren?

Der Spiegel berichtet in seiner Online-Ausgabe vom 23.08.2010, dass sich die Regierung von ihren Plänen verabschiedet habe, das Fiskusprivileg im Insolvenzverfahren wieder einzuführen.

Die Bundesregierung hatte in ihrem Sparpaket angekündigt, Steuerforderungen im Insolvenzverfahren wieder mit einem Vorrecht vor den anderen Gläubigern versehen zu wollen. Insolvenzverwalter und Wirtschaftsverbände waren dagegen Sturm gelaufen. Weithin war einhellige Meinung, dass damit die Sanierungschancen von Unternehmen erheblich verschlechtert würden. Dagegen hatten Sozialversicherungsträger  zwischenzeitlich gefordert, auch - wie schon in Zeiten der alten Konkursordnung - wieder mit einem Vorrecht ausgestattet zu werden.

In der Tat gibt es hier wohl erheblichen Diskussionsbedarf in der Bundesregierung. Während die Rechtspolitiker sogar fordern, die Sanierungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren zu verbessern, z.B. durch Vereinfachung des Insolvenzplanverfahrens, hatten die Fiskalpolitker geplant durch das Vorrecht Mehreinnahmen von 500 Mio. Euro pro Jahr zu erzielen. Wie der Spiegel berichtet, sollen jetzt andere Mechanismen gefunden werden, um aus den Insolvenzverfahren Mehreinnahmen des Staates zu erzielen. Ob dafür ausgerechnet die Umsatzsteuer geeignet ist, darf bezweifelt werden. Immerhin ist das Umsatzsteuerrecht weitestgehend europäisches Recht, das für nationale systemfremde Alleingänge kaum genutzt werden kann.

Allerdings ist hier auch der Spiegel auf der falschen Fährte: Eine "Umsatzsteuerbefreiung" im Insolvenzverfahren gibt es nicht. Insolvente Unternehmen und ihre Verwalter unterliegen unterliegen den gleichen Spielregeln, wie jeder andere Unternehmer auch.  Die Diskussion wird spannend bleiben - und hoffentlich mit zutreffenden Argumenten geführt werden.