“Auch für den Fall, dass eine Freiberuflerpraxis aufgrund gesetzlicher Anordnung veräußert wird, führt die Betriebsveräußerung innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist (§ 13a Abs. 5 ErbStG a.F.) zum Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG a.F. “

 Das hat der BFH im Urteil v. 17.3.2010 – II R 3/09 (jetzt erst  veröffentlicht am 23.6.2010) entschieden. 

Der Fall:  Der minderjährige Kläger ist Alleinerbe seines 2006 verstorbenen Vaters, der eine Arztpraxis besaß. Da der Kläger nicht über die für eine Fortführung der freiberuflichen Praxis erforderliche Berufsqualifikation verfügte, beantragten seine gesetzlichen Vertreter bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung, den Vertragsarztsitz – also die Praxis – des Vaters öffentlich auszuschreiben. Nach der Ausschreibung wurde die Praxis 2007 im Namen und für Rechnung des Erben verkauft . In seiner Erbschaftsteuererklärung bezifferte der Erbe den Wert der zum Nachlass gehörenden Arztpraxis mit insgesamt 306.326 € und beantragte, ihm für das erworbene Betriebsvermögen die Steuerentlastungen des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 des ErbStG zu gewähren. Das Finanzamt lehnte dies ab. Dieser Auffassung schloss sich der BFH jetzt an.

Die Begründung des BFH:  Der Fortbestand der Qualität als Betriebsvermögen hängt bei dessen Erwerb von einem Freiberufler nicht tätigkeitsbezogen davon ab, dass der Erbe auch die freiberufliche Tätigkeit des Erblassers fortsetzt. § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 ErbStG stellt wegen der Anknüpfung an den Erwerb von Betriebsvermögen vielmehr allein betriebsbezogen auf die Aufrechterhaltung und Weiterführung des Betriebs des Erblassers ab. Der Gesetzeswortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG erfasst zwar die freiberufliche Einzelpraxis nicht. Da § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG aber erkennbar an § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG anknüpft, ist dem Gesetzgeber bei der Abfassung des Abs. 5 Nr. 1 offensichtlich ein Redaktionsversehen unterlaufen. Das Gesetz kann schon aus systematischen Gründen nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis vom Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen wäre. Vielmehr ergibt sich aus der in § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 96 BewG angeordneten Gleichbehandlung des freiberuflichen und gewerblichen Betriebsvermögens, dass auch freiberufliche Einzelpraxen von § 13a Abs. 1 ErbStG erfasst werden. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ist nicht in Fällen, in denen die Veräußerung zwangsweise oder sogar kraft gesetzlicher Anordnung erfolgt, teleologisch zu reduzieren.

 

Anmerkung: Der BFH führt damit die Rechtsprechung fort, die kürzlich bereits im zusammenhang mit dem Zwangsverkauf eines Unternehmens im Rahmen einer Insolvenz ergangen ist (siehe hier). Auch in jenem Fall hatte das Gericht entschieden, dass der Gesetzgeber nicht habe erkennen lassen, dass er für gewisse Zwangssituationen, die die Behaltefrist beenden oder unmöglich machen, die Anwendung der Steuerbvergünstigung gewollt habe. Insoweit sah der BFH im Hinblick auf § 13 a Abs. 5 ErbStG a.F. keinen Anlass zur Einschränkung der gesetzlichen Formulierung.   

Quelle: BFH online