BGH: Gläubiger müssen Sanierungskonzepte prüfen, um der Anfechtung zu entgehen

NORM: InsO § 133

Der BGH hat am 12.05.2016 wie folgt entschieden:
(Urteil vom 12.05.2016 - IX ZR 65/14 Vorinstanz: OLG Düsseldorf)

wegen Insolvenz geschlossenDie Entscheidung des Gerichtes kann in folgenden (bearbeiteten) Leitsätzen zusammengefasst werden:
1. Ein Gläubiger, der die (drohende) Zahlungsunfähigkeit  seines (unternehmerischen) Schuldners kennt, muss beweisen, dass seinen  Zahlungen nach Kriseneintritt beim Schuldner ein schlüssiges Sanierungskonzept zu Grunde lag. Das bedeutet, dass  er über die wesentliche Inhalte, Grundlagen und Schlußfolgerungen des Konzeptes (Ursachen der Insolvenz, Maßnahmen zur Beseitigung, positive Fortführungsprognose) informiert sein muss.
2. Wenn der Gläubiger einen Verzichtsvergleich schließt und davon ausgeht, dass andere Gläubiger dies auch tun, darf  er nicht ohne weiteres schlußfolgern, dass eine Sanierung des Schuldnerunternehmens allein dadurch gelingt, insbesondere dann, wenn die Krise nicht nur auf Finanzierungsproblemen beruht.
3. Ein Gläubiger darf sich aber grundsätzlich auf die Angaben des Schuldners oder dessen Berater zu den Erfolgsaussichten des Konzeptes verlassen, es sei denn, dass er Anhaltspunkte für falsche Angaben, Täuschungen o.ä. hat.
4. Das Sanierungskonzept für das Unternehmen des Schuldners muss nicht zwingend dem Standard S6 des  Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. oder dem Standard  des Instituts für die Standardisierung von Unternehmenssanierungen (ISU) entsprechen.

Dem durch den BGH entschiedenen Streitfall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Insolvenzverwalter als Kläger forderte  von der Gläubigerin die Rückzahlung einer im Ende März 2007 erhaltenen Zahlung, die diese von dem schuldnerischen Unternehmen nach Abschluss eines Sanierungsvergleiches erhalten hatte. Der Beklagten waren seit Januar 2007 die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin  bekannt, weswegen sie an dem Sanierungsvergleich mitwirkte, den eine Beratungsgesellschaft der Schuldnerin ausgearbeitet hatte. Darin wurde ein Teilverzicht der Gläubiger mit Besserungsschein gegen eine Einmalzahlung vorgeschlagen. die mittel für die Zahlung sollten avon Dritten bereitgestellt werden. Die Zustimmung aller Gläubiger war Bedingung für das zustandekommen des Verzichtsvergleiches. Die Gläubigerin (Beklagte) stimmte diesem Vergleich zu und erhielt die zugesagte Einmalzahlung. Im Jahre 2012 wurde dann doch das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin  eröffnet. Der Insolvenzverwalter sprach die Anfechtung bezüglich der Einmalzahlung aus 2007 aus.  Er gründete seinem Anspruch auf die Aussage, dass kein aussichtsreicher und ernsthafter Sanierungsversuch vorgelegen habe, weil nämlich nur die Hälfte der Gläubiger beteiligt gewesen sei.

Die Vorinstanzen - zuletzt OLG Düsseldorf - hatten die Klage abgewiesen. Die Revision beim BFH war jetzt erfolgreich und führt zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

QUELLE: Beck-Online


Zum Nachdenken am Wochenende: Ist ein Scheitern von CETA, TTIP u.a. wirklich ein Verlust in der heutigen Zeit?

Die Industrie poltert, wie schlimm ein Scheitern des Abkommens zwischen EU und USA wäre. Eher abwegig. Wir haben gerade wichtigeres zu tun als eine Globalisierung zu forcieren, die so vielen Angst macht.

über Thomas Fricke: Vergesst den Freihandel! — Der andere Blick auf Boom und Krisen

Thomas Fricke bezieht in seiner Kolumne auf "Wirtschaftswunder" in gewohnt pointierter Weise Stellung. Sein Fazit: in Zeiten, in denen die Globalisierung ohnehin mehr Angst als Zuversicht erzeugt, sollte man sie nicht mit Macht vorantreiben wollen. Ein  aus unserer Sicht sehr lesenswerter Aufruf zum Innehalten und Nachdenken.

In diesem Sinne: Schönes Wochenende!


Modernisierung des Steuerwesens wird fortgesetzt

Insolvenz, Überschuldung, Fortführungsprognose, Fortbestehensprognose, Insolvenzberatung, Hartmut Befeldt, Steuerberater LippstadtDas Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde am 22.07.2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlich und ist damit verkündet.

AUTOMATISIERUNG und DIGITALISIERUNG

Viele der dadurch eingeleiteten Änderungen sind zutreffend wohl eher als fortschreitende Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens zu bezeichnen. Es geht daher vor allem um Datenübermittlungpflichten und die dafür geltenden Regeln für Arbeitgeber, Versicherungen, Banken und Sozialversicherungsträger.

Allerdings wird auch die sog. "vollautomatisierte Veranlagung" geregelt. Demnach kann die IT der Finanzverwaltung Steuern "eigenständig" automatisiert festsetzen, ohne dass eine "menschliche" Einzelfallprüfung durch einen Sachbearbeiter erfolgt.

Ein Anlass für eine Einzelfallprüfung besteht immer dann, wenn das Risikomanagementsystem der Verwaltung den Fall "aussortiert" hat. Darüber hinaus muss immer dann eine Prüfung stattfinden, wenn

  • Der Steuerpflichtige darum gebeten hat, oder
  • er in seiner Steuererklärung erklärt, dass er von der Verwaltungsauffassung abgewichen ist, oder
  • eine Antrag auf eine Ermessensentscheidung gestellt hat.

Diese Änderungen gelten bereits ab dem 01.01.2017, falls es die Finanzverwaltung hinbekommt, bis dahin die organisatorischen und technischen Voraussetzungen zu schaffen. Solche ehrgeizigen Projekte sind der Vergangenheit schon gern einmal um 2 Jahre verschoben worden.

NEUE ABGABEFRISTEN

Bedeutsam für alle Steuerpflichtigen ist aber die Neuregelung der Fristen zur Abgabe der Steuererklärungen. Diese sind zukünftig grundsätzlich erst zum 31.07. des Folgejahres abzugeben (bisher 31.05.). Wer steuerlich beraten ist, hat zukünftig einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Verlängerung der Abgabefrist bis zum 28.02. des übernächsten Jahres. Hiervon abweichend kann das Finanzamt auch zukünftig Steuererklärungen vorab anfordern. Dafür gelten die bisherigen Gründe auch weiterhin. Der wichtigste Grund für Vorabanforderungen war sicherlich regelmäßig die verspätete Abgabe in Vorjahren. Da der Gesetzgeber aber nicht nur gibt, sondern immer auch nimmt, hat er mit der Verlängerungsregel zum 28.02. auch gleich neue Vorabanforderungsgründe gesetzlich geregelt:

  • Wenn zwischenzeitlich Anträge auf Anpassungen von Vorauszahlungen gestellt wurden,
  • das Finanzamt eine Außenprüfung plant,
  • ein Betrieb eröffnet oder eingestellt wurde,
  • oder der Computer  eine automatisierte Zufallsauswahl trifft,

gilt auch für steuerliche Beratene die Frist bis zum 28.02. des übernächsten Jahres nicht.  Damit ist faktisch wie bisher für Steuerpflichtige und Berater weiterhin keine Planungssicherheit gegeben. Immerhin bleibt nach Vorabanforderung eine gesetzliche Frist von 4 Monaten zur Einreichung der Steuererklärung. So wie wir das Vorgehen einiger Finanzämter in der Vergangenheit erlebt haben, ist davon auszugehen, dass zukünftig Ende März verstärkt Vorabanforderungen ergehen werden, die dann zu einer Abgabepflicht zum 31.07. führen. Damit ist die Fristverlängerung für eine Vielzahl steuerlich Beratener faktisch wieder vom Tisch.

VERSPÄTUNGSZUSCHLÄGE

Bei Nichteinhaltung der Abgabefristen wird zukünftig automatisch ein Verspätungszuschlag festgesetzt. Dieser beträgt mindestens 0,25% der Steuer(nach)zahlung, mindestens aber 25 € je Monat der Fristüberschreitung.  Wenn sich aus der Steuererklärung keine Nachzahlung ergibt, oder die Steuer auf Null lautet, bleibt die Festsetzung eines Verspätungszuschlages weiterhin Ermessensentscheidung des Finanzbeamten.

Diese Änderungen gelten ab dem Veranlagungsjahr 2018. 

VOLLMACHTEN u.a.

Für Steuerberater gilt im Übrigen zukünftig eine Identifizierungspflicht hinsichtlich ihrer Mandanten, für die sie Daten übermitteln.

Nunmehr gesetzlich geregelt ist auch die sog. Vorratsdatenbank. Steuerberater können die Daten der Ihnen erteilten Mandate an die Steuerverwaltung übermitteln und diese werden dort zentral gespeichert. Es wird aber auch eine Meldepflicht bei Erlöschen von Mandanten eingeführt. Für Berater, die falsche Vollmachten melden oder nicht unverzüglich das Erlöschen von Vollmachten mitteilen, wird eine Geldbuße von bis zu 10.000,00 € eingeführt.

Eine Übersicht über alle Änderungen und den Zeitpunkten der erstmaligen Anwendung findet sich auf den Seiten des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V.

QUELLE: BStBl. I vom 22.07.2016, S. 1679 ff.

 


Statistisches Bundesamt: Gründe für Überschuldung privater Haushalte

steuerlichen Verlust aus der Insolvenz für den Neustart nutzen
Crash Insolvenz Verlust Neustart

Das Statistische Bundesamt hat über die festgestellten Gründe der Überschuldung privater Haushalte berichtet. In der Pressemitteilung wird ausgeführt, dass häufigste Ursache das Eintreten unerwarteter Lebensumstände ist. Das sind z.B. gesundheitliche Krisen aber auch häufig Trennung /Scheidung vom Partner oder dessen Tod. Dahingegen spielt ein unangemessenes und und unkontrolliertes Konsumverhalten nur eine untergeordnete Rolle.

Besonders häufig betroffen  sind alleinlebende Männer und alleinerziehende Frauen.


Thomas Fricke: Angst macht Krise — Der andere Blick auf Boom und Krisen

Inflation, Eurokrise – in Deutschland jagt seit Jahren ein Sorgen-Hype den nächsten. Dabei erweist sich die Angst oft als Irrtum. Wir brauchen einen Weisen-Rat für reale Risiken.

über Thomas Fricke: Angst macht Krise — Der andere Blick auf Boom und Krisen


FG Münster: Ausübung des Wahlrechts zur getrennten Veranlagung durch den Insolvenzverwalter

Normen: EStG § 26AO § 34InsO § 80

clause-684509_6401. Ist die Insolvenzmasse betroffen, sind die steuerlichen Rechte und Pflichten des Schuldners vom Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder wahrzunehmen (§ 34 III AO). Zu den betreffenden Rechten gehört unter anderem das Veranlagungswahlrecht nach § 26 II EStG, bei dem es sich nach gefestigter Rechtsprechung nicht um ein höchstpersönliches, sondern um ein vermögensbezogenes und damit der Insolvenzmasse zuzuordnendes Recht handelt.

2. Der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder ist somit befugt, gegen einen Einkommensteuerbescheid Einspruch einzulegen und mit dem Einspruch das auf ihn übergegangene Veranlagungswahlrecht auszuüben. (Leitsätze der Redaktion)

FG Münster, Urteil vom 21.04.2016 - 2 K 2410/14 E

ANMERKUNG: 

Die Frage des Veranlagungswahlrechtes spielt im Insolvenzverfahren immer dann eine Rolle, wenn der Verwalter durch die Ausübung des Rechtes Steuererstattungen für die Masse realisieren  und/oder bestehende hsmöglichkeiten nutzen kann. Das FG hat mit diesem Urteil  die bereits gefestigte Rechtsprechung des BFH bestätigt, dass dieses Veranlagungswahlrecht keinesfalls nur eine persönliches Recht des Steuerpflichtigen und Insolvenzschuldners ist, sondern vielmehr als ein Recht, dessen Ausübung  Auswirkungen auf die Höhe der Insolvenymasse hat, auch der dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Verwalters bzw. ausdrücklich auch des Treuhänders unterliegt.

Es empfiehlt sich also, in solchen Fällen ggf. eine Absprache mit dem Verwalter über die Ausübung des Wahlrechtes zu treffen, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist. Dies gilt vor allem für den nicht im Insolvenzverfahren befindlichen Ehepartner des Insolvenzschuldners.


Konjunktursignale der nächsten Tage — Der andere Blick auf Boom und Krisen

In der kommenden Woche dominieren europäische Themen. Über die Befindlichkeit von Finanzmarktanalysten und Unternehmen geben die ZEW-Konjunkturerwartungen am Dienstag beziehungsweise die Einkaufsmanagerindizes am Freitag Auskunft. Am Donnerstag tagt der EZB-Rat und erörtert die Konsequenzen des Brexit-Votums. Die wichtigsten weltwirtschaftlichen Indikatoren der kommenden Tage lesen Sie hier: 2016-07-15 Wochenvorschau

über Konjunktursignale der nächsten Tage — Der andere Blick auf Boom und Krisen


Insolvenzrecht: Zahlungen an privaten Krankenversicherer aus insolvenzfreiem Vermögen

wegen Insolvenz geschlossenAnsprüche des Versicherers auf Prämien für einen privaten Krankenversicherungsvertrag aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung des Schuldners sind Insolvenzforderungen. Zahlt der Schuldner eine Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag in bar aus einem unpfändbaren Geldbetrag, fehlt es an einer Gläubigerbenachteiligung (BGH, Urteil v. 07.04.2016 - IX ZR 145/15).

Hintergrund: An einer sogenannten Gläubigerbenachteiligung fehlt es, wenn die Zahlung aus insolvenzfreiem Vermögen des Schuldners erfolgte. Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände, ist diese Verfügung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören.

Sachverhalt: Der Kläger ist Treuhänder im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, der bei der Beklagten einen privaten Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Das Amtsgericht erließ im Juli 2010 auf Antrag der Beklagten einen Vollstreckungsbescheid gegen den Schuldner wegen rückständiger Versicherungsprämien. Die Beklagte führte die Zwangsvollstreckung durch; im Januar 2011 zahlte der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher 300 € in bar. Aufgrund eines bereits im September 2010 gestellten Insolvenzantrags eröffnete das Insolvenzgericht im Mai 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Kläger verlangt von der Beklagten die 300 € im Wege der Insolvenzanfechtung zurück.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Hierzu führte der BGH weiter aus:

  • Die Zahlung von Versicherungsprämien an einen privaten Krankenversicherer ist eine anfechtbare Rechtshandlung. Ob die Insolvenzanfechtung vorliegend begründet ist, kann jedoch nicht beurteilt werden.
  • Zwar sind die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt. Die Zahlung erfolgte nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Sie war inkongruent, weil die Beklagte sie innerhalb des Dreimonatszeitraums im Wege der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung erlangte.
  • Allerdings steht nicht fest, ob die Zahlung die Gläubiger gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt hat. Daran fehlt es, wenn die Zahlung aus insolvenzfreiem Vermögen des Schuldners erfolgte. Befriedigt der Schuldner einen Gläubiger durch eine Verfügung über unpfändbare Gegenstände, ist diese Verfügung mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar, weil diese Gegenstände von vornherein nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehören. Deshalb kann es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlen, wenn der Schuldner die Versicherungsprämie für seinen privaten Krankenversicherungsvertrag aus unpfändbarem Vermögen zahlt. Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung 300 € in bar an den Gerichtsvollzieher zahlte.
  • Vorliegend kommt eine Unpfändbarkeit nach § 811 Abs. 1 Nr. 8 ZPO in Betracht. Nachdem es bisher auf diesen Gesichtspunkt nicht ankam, ist den Parteien hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme und zu ergänzendem Sachvortrag zu gewähren.

Quelle: NWB Datenbank (Sc)