Einkommensteuer | Keine Rechtsgrundlage für Sanierungserlass (FG) ?

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Da der Gesetzgeber die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. für nach dem 31.12.1997 endende Wirtschaftsjahre abgeschafft hat, besteht seither nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wegen des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers im Regelfall keine Rechtsgrundlage mehr für den von der Verwaltung und Rechtsprechung praktizierten Einkommensteuererlass auf Sanierungsgewinne wegen sachlicher Unbilligkeit auf Basis des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 (FG Sachsen, Urteil v. 24.4.2013 - 1 K 759/12; Revision anhängig).

Hintergrund: Die Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne (§ 3 Nr. 66 EStG a. F.) wurde mit Wirkung ab dem VZ 1998 aufgehoben. Aufgrund des bestehenden Zielkonflikts mit der zum 1.1.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung hat die Finanzverwaltung auf der Grundlage von §§ 163, 227 AO mit dem sog. Sanierungserlass (BMF, Schreiben v. 27.3.2003, BStBl 2003 I S. 240) reagiert, damit eine auf einen Sanierungsgewinn zu zahlende Steuer nicht die Sanierung gefährdet oder eine weitere Sanierung erforderlich macht. Der sog. Sanierungserlass regelt, unter welchen Voraussetzungen aufgrund von sachlicher Billigkeit die Ertragsteuern (nicht jedoch die Gewerbesteuer) auf einen Sanierungsgewinn mit dem Ziel des späteren Erlasses gestundet werden können (vgl. hierzu ausführlich Gragert in NWB 27/2013 S. 2141).

Sachverhalt: Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer hat, die zur Steuerfreiheit des Ertrags aus einem Schulderlass (Sanierungsgewinn) führt.

Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Ob der Schuldenerlass im Jahr 2007 die Voraussetzungen des o.g. BMF-Schreibens erfüllt, kann offen bleiben. Für eine abweichende Festsetzung ist nämlich auch dann kein Raum, wenn die Voraussetzungen des BMF-Schreibens v. 27.3.2003erfüllt wären.
  • Wegen des ausdrücklichen Willens des Gesetzgebers, wie er sich in der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG zeigt, ist nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung jede abweichende – auch den Steuerpflichtigen begünstigende – Handhabung ausgeschlossen, also auch eine Handhabung, die unter dem Mantel der Billigkeitsentscheidung, aber – wie das BMF-Schreiben – mit genereller Anordnung, erfolgt.
  • Eine Verwaltungspraxis contra legem in Form einer vom Willen des Gesetzgebers abweichenden Billigkeitsregelung kann auch nicht mit einem Zielkonflikt mit dem neueren Insolvenzrecht gerechtfertigt werden (so aber das BMF-Schreiben in Rz. 7), vielmehr ist der Konflikt zwischen Wertungen des Insolvenzrechts und dem materiellen Steuerrecht so zu lösen, dass vorrangig die des Insolvenzrechts gelten.

Anmerkung: Der BFH hat bisher offen gelassen, ob der Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots „uneingeschränkt” genügt. In einem Beschluss v. 28.2.2012 (= Kostenentscheidung; Az. VIII R 2/08) hat der BFH es nach summarischer Prüfung für zweifelhaft gehalten, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen durch Forderungsverzicht von Gläubigern allein wegen sachlicher Unbilligkeit aufgrund des BMF-Schreibens v. 27.3.2003 beansprucht werden könne. Die verneinende Ansicht sei „jedenfalls … nicht von vornherein abzulehnen”.

Quelle: NWB Datenbank

Hinweis: Gegen die o.g. Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts ist mittlerweile ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (BFH.-Az. X R 23/13).


FG Münster: Aus vom Insolvenzverwalter freigegebener Tätigkeit folgende Steuererstattung gehört nicht zu Insolvenzmasse

Bildzu FG Münster, Urteil vom 27.09.2013 - 14 K 1917/12 AO.
Eine Einkommensteuererstattung, die aus einer vom Insolvenzverwalter freigegebenen Tätigkeit resultiert, gehört nicht zur Insolvenzmasse. Der Erstattungsanspruch könne daher vom Finanzamt mit vorinsolvenzrechtlichen Steuerschulden verrechnet werden, so das Finanzgericht Münster. Gegen sein Urteil vom 27.09.2013 (Az.: 14 K 1917/12 AO) hat es wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Tätigkeit des Schuldners als gewerblicher Dienstleister freigegeben

Über das Vermögen des Insolvenzschuldners war im Jahr 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Als Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestellt. Der Insolvenzschuldner war weiterhin als gewerblicher Dienstleister selbstständig tätig. Diese Tätigkeit hatte der Kläger noch im Jahr 2009 aus der Insolvenzmasse freigegeben (§ 35 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Finanzamt verrechnet Erstattungsanspruch mit Steuerrückständen

Das beklagte Finanzamt setzte für das Jahr 2010 Einkommensteuervorauszahlungen gegenüber dem Insolvenzschuldner fest, der die Vorauszahlungen aus seinem insolvenzfreien Vermögen leistete. Im Jahr 2011 erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010. Den sich danach zugunsten des Insolvenzschuldners ergebenden Erstattungsanspruch verrechnete das Finanzamt mit dessen Einkommensteuerrückständen aus dem Jahr 2009. Der Kläger sah dies als unzulässig an und begehrte die Auszahlung des Erstattungsanspruchs zur Insolvenzmasse. Dies lehnte das Finanzamt ab.

FG: Forderungen aus freigegebener Tätigkeit gehören zu insolvenzfreiem Vermögen

Das FG bestätigte die Ansicht des Finanzamtes. Entgegen der Auffassung des Klägers stehe § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Aufrechnung durch das Finanzamt nicht entgegen. Werde eine selbstständige Tätigkeit – wie im Streitfall – vom Insolvenzverwalter ohne Einschränkung freigegeben, gehörten die Forderungen und Verbindlichkeiten, die hierdurch veranlasst seien, nicht zur Insolvenzmasse, sondern zum insolvenzfreien Vermögen. Dies gelte auch für Steuerschulden und Steuererstattungsansprüche. Der Insolvenzschuldner müsse nicht nur die im Zusammenhang mit der freigegebenen Tätigkeit entstehenden Steuern zahlen, sondern habe konsequenterweise auch einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Beträge. Die vom Bundesfinanzhof für Umsatzsteuervergütungsansprüche entwickelte Rechtsprechung sei auf Einkommensteuererstattungsansprüche zu übertragen.

Quelle: beck-online.de