Insolvenzantrag | Der "weiche" Überschuldungsbegriff wird unbefristet

Insolvenz, Überschuldung, Fortführungsprognose, Fortbestehensprognose, Insolvenzberatung, Hartmut Befeldt, Steuerberater LippstadtNeben der Zahlungsunfähigkeit begründet  auch die Überschuldung einer Kapitalgesellschaft eine  Insolvenzantragspflicht.  Wird diese verletzt können sich  Geschäftsführer und  auch die Berater der Gesellschaft strafbar machen.

Bei der gegenwärtigen befristeten Gesetzeslage führt eine Überschuldung - also ein Überschuss der Verbindlichkeiten über das Vermögen - dann nicht zur Insolvenzantragspflicht , wenn eine positive Fortbestehensprognose für das Unternehmen besteht. Die Fortbestehensprognose führte also dazu, dass die Überschuldung praktisch irrelevant war.  Dieser sog. "weiche"  Überschuldungsbegriff wurde im Zuge der Finanzkrise eingeführt, um den Zusammenbruch vieler Unternehmen zu verhindern. Die Anwendung war zuletzt bis zum 31.12.2013 befristet worden.

Bei  der alten Regelung, die ab dem 01.01.2014 auch wieder angewendet werden  sollte, liegt Überschuldung dann vor, wenn das Vermögen des Unternehmens inclusive der stillen Reserven nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten abzudecken. Das Vermögen wird hierbei mit seinen Liquidationswerten angesetzt. Besteht hingegen eine positive Fortführungsprognose´können für die Überschuldungsprüfung Fortführungswerte angesetzt werden.  In dieser Konstellation für die positive Fortführungsprognose demnach nur zu einer Änderung der Bewertungsregeln, nach denen die Überschuldung zu berechnen ist, nicht aber zum kompletten Fortfall der Überschuldung.

Wenn also dieser „weiche“ Überschuldungsbegriff zum 01.01.2014 ausliefe, könnten Gesellschaften insolvent werden, bei denen die psotivie Fortbestehensprognose bisher zum Wegfall der Insolvenzantragspflicht geführt hat. Diese rechtliche Unsicherheit führt zu der Frage, ob bei diesen Gesellschaften bereits heute überhaupt noch eine positive Prognose gestellt werden kann, wenn diese voraussichtlich zum 1.1.2014 rechnerisch überschuldet sein könnten.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber jetzt  beschlossen, dass der „weichere“ Überschuldungsbegriff unbefristet fortbestehen soll. Auch nach dem 31.12.2013 kann eine positive Fortbestehensprognose die Überschuldung und damit auch die Insolvenzantragspflichten beseitigen.


BFH | Umsatzsteuer | Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Die wechselhafte Rechtssprechung zur Aufrechnung der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren hat erneute Änderungen erfahren.  Diesmal hat der BFH über die Aufrechnung von Ansprüchen aus einer Entgeltberichtigung im Sinne des § 17 UStG entschieden:

"Für die Anwendung des in der Insolvenzordnung geregelten Aufrechnungsverbots (§ 96 InsO) ist entscheidend, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird. Nicht entscheidend ist, wann die zu berichtigende Steuerforderung begründet worden ist (BFH, Urteil v. 25.7.2012 - VII R 29/11; veröffentlicht am 31.10.2012) .

Hintergrund: Gerät ein Steuerpflichtiger in Insolvenz, besteht für das Finanzamt oftmals nur dann eine aussichtsreiche Möglichkeit, offene Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu realisieren, wenn es seine Forderungen gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann. Die Insolvenzordnung lässt eine solche Aufrechnung zwar grds. zu; sie verbietet sie jedoch, soweit der Insolvenzgläubiger dem Schuldner erst nach Eröffnung des Verfahrens etwas schuldig geworden ist (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Das war nach der bisherigen Rechtsprechung dann nicht der Fall - eine Aufrechnung war also zulässig -, wenn der Anspruch des Steuerpflichtigen zwar steuerrechtlich erst während des Insolvenzverfahrens entstanden war, jedoch auf dem Ausgleich einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steuerfestsetzung beruhte, insbesondere etwa einer Umsatzsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichwerden des Entgelts (vgl. z.B. BFH, Beschluss v. 6.10.2005 - VII B 309/04). Diese Rechtsprechung hat der BFH nun aufgegeben.

Hierzu führt der BFH weiter aus: Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist entscheidend, wann der materiell-rechtliche Berichtigungstatbestand des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird. Nicht entscheidend ist, wann die zu berichtigende Steuerforderung begründet worden ist (Änderung der Rechtsprechung). Ohne Bedeutung ist - ebenso wie der Zeitpunkt der Abgabe einer Steueranmeldung oder des Erlasses eines Steuerbescheids, in dem der Berichtigungsfall erfasst wird -, ob der Voranmeldungs-  oder Besteuerungszeitraum erst während des Insolvenzverfahrens abläuft. "

Kommentar: Diese Wendung der Rechtssprechung ist grundsätzlich zu begrüßen, weil sie konsequent zur Systematik des  UStG zurückkehrt.Das konnte  man in letzter Zeit nicht von allen BFH-Entscheidungen im Spannungsfeld zwischen Umsteuerrecht und Insolvenzrecht behaupten konnte. Damit ist vor allem an die merkwürdige Auffassung des BFH im Zusammenhang mit der Besteuerung von nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinnahmten Forderungen, die vor Verfahrenseröffnung begründet wurden erinnert.
Quelle: NWB Verlag