Verfassungsrechtliche Zweifel an der sog. Mindestbesteuerung

Pressemitteilung des BFH zum Beschluss vom 26.08.10   I B 49/10:

 "Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 26. August 2010 I B 49/10 in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass die sog. Mindestbesteuerung in bestimmten Situationen zu einer verfassungsrechtlich unangemessenen Besteuerung führen kann.

Seit 2004 dürfen in den Vorjahren nicht ausgeglichene negative Einkünfte in den folgenden Veranlagungszeiträumen zwar bis zur Höhe von 1 Mio. Euro unbeschränkt von einem entsprechend hohen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, ein übersteigender Verlustbetrag aber nur bis zu 60% des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte. Bei einem bestehenden Verlustvortrag in Höhe von z.B. 3 Mio. Euro und einem zu versteuernden Einkommen vor Verlustausgleich im aktuellen Jahr in Höhe von z.B. 2 Mio. Euro bedeutet das: Es können lediglich 1,6 Mio. Euro der Verluste ausgeglichen werden, während für 400 000 Euro Steuern anfallen. Die verbleibenden Verluste können erst in den Folgejahren abgezogen werden.

 Allgemein wird in dieser liquiditätsbelastenden zeitlichen „Streckung“ des Verlustabzugs kein Verfassungsverstoß gesehen. Das gilt aber nur solange, wie ein Abzug der verbleibenden Verluste in den Folgejahren prinzipiell möglich ist. Bedenken bestehen jedoch, wenn es zu einem endgültigen Fortfall der Verlustnutzungsmöglichkeit kommt. Diesen Bedenken hat sich der BFH nun angeschlossen."

Das konkrete Verfahren betraf eine GmbH, die hohe Verluste erwirtschaftet und diese wegen der Mindestbesteuerung nur teilweise abziehen konnte. In der Folgezeit kam es zu einer Umstrukturierung und einem Gesellschafterwechsel, der dazu führte, dass der wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgenutzte Verlustvortrag nach § 8c des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Gänze verloren ging. Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung, soweit sie für einen derartigen endgültigen Ausfall des Verlustabzugs keine gesetzliche Vorsorge trifft. Er erwägt deswegen eine verfassungskonforme Normauslegung. Offen bleibt, ob § 8c KStG nicht seinerseits Verfassungsbedenken aufwirft.

Bundesfinanzhof
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Gutachten zu ermäßigten Umsatzsteuersätzen liegt vor

"BEFELDT Steuerberater" "Steuerberater Lippstadt" "Steuerberatung Lippstadt"Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein Sachverständigen-Gutachten in Auftrag gegeben, in dem beurteilt werden sollte, inwieweit das gegenwärtige System, bestimmte Leistungen nur mit einer ermäßigten Umsatzsteuer von 7% zu besteuern, gerechtfertig ist und in welchen Bereichen es ggf. refomiert werden soll.

Das Gutachten liegt jetzt vor. Die Gutachter haben jede einzelne ermäßigt besteuerte Leistung auf den Prüfstand gestellt und deren Begründung und tatäschliche Wirksamkeit unter Förderungsgesichtspunkten untersucht. Das Ergebnis in Kurzform ist klar und lesenswert:

"Als Fazit dieses Gutachtens ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber der Versuchung widerstehen sollte, den unionsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum im Sinne einer möglichst weitgehenden Einräumung ermäßigter Steuersätze zu nutzen. Vielmehr empfiehlt es sich, die umsatzsteuerlichen Steuersatzermäßigungstatbestände weitestgehend abzuschaffen. Die damit bewirkte Vereinfachung des Steuerrechts senkt die Befolgungskosten für Steuerpflichtigte und Verwaltung, vermeidet nicht zu rechtfertigende Privilegierungen bestimmter leistungsanbietender Unternehmergruppen und trägt zu einer widerspruchsfreieren und gerechteren Belastung der Verbraucher anhand ihrer Konsumaufwendungen bei. Etwaigen nicht gewünschten Erhöhungen des Umsatzsteueraufkommens aus einem weitgehenden Verzicht auf Steuersatzermäßigungen kann durch eine entsprechende Senkung des Regelsteuersatzes leicht begegnet werden.

Kurzum: Für die allermeisten Umsatzsteuerermäßigungen gibt es keine tragfähige Begründung. In Zukunft sollten daher prinzipiell alle umsatzsteuerpflichtigen Leistungen dem Regelsatz unterliegen. Ein ermäßigter Steuersatz erscheint nur für Lebensmittel gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die für diese Reform erforderlichen Spielräume - er sollte sie nutzen ."( Hervorhebung im Original) .

Dem ist wohl nicht viel hinzuzufügen. Ganz nebenbei haben die Gutachter hier auch noch ein paar Leitlinien eingezogen, die grundsätzlich für jede echte Steuerreform als Orientierung dienen sollten.